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höherem Werthe als für sich zu veranschlagen. Doch halten wir
den Streit mit diesem Einwurf jetzt abgethan, da es gegen den
Eigensinn, mit dem er hier und da festgehalten wird, keine Gründe
giebt; um unsere Betrachtung noch etwas weiter fortzuführen.
Es kann vorkommen, obwohl der Fall nicht häufig ist, dass
ein Bauwerk, statt den Reiz einer Landschaft zu erhöhen, miss-
fällig in den Eindruck derselben hineintritt; sei es, dass die asso-
ciativen Foderungen des Bauwerkes denen seiner Umgebung wider-
sprechen, beider Charakter hiemit nicht zu einander stimmt, oder
dass das Gebäude selbst durch seine Bestimmung unlustvolle Asso-
ciationen erweckt. Den ersten Fall würden wir haben, wenn wir
einen griechischen Tempel in einer nordischen Eislandschaft oder
eine schwäbische Bauernhütte unter Palmen erblicken sollten. In-
zwischen entstehen solche Baulichkeiten eben nicht oder nur ganz
ausnahmsweise an solchen Orten; vielmehr erscheinen die Bau-
werke fast immer nicht blos am Boden angewachsen, sondern
daraus hervorgewachsen. Jede Wohnung sucht sich so zu sagen
die passende Umgebung und jede Umgebung die passende Woh-
nung, was nicht hindert, dass dieselbe Hütte eine eben so passende
Stelle am Fusse als auf dem Gipfel des Berges linde, und zu dem-
selben Platze im Walde ein Jagdhaus und eine Waldschenke passen
kann; es gieht in dieser Hinsicht eine gewisse Breite, die nur nicht
überschritten werden dalrf, um nicht nach dem (S. 97) angegebe-
nen Principe den misslälligen Eindruck des Nichtzusammenpassens
zu begründen. Doch giebt es wirklich Fälle, wo das Gebäude uns
so zu sagen losgelöst aus der Umgebung und nur wie hineingesetzt
in dieselbe erscheint; das spüren wir aber auch gleich am ästhe-
tischen Eindruckc. So namentlich, wo das Gebäude kunstmässig
in architektonischer Vollendung ohne Rücksicht auf Anschluss an
die Umgebung oder mit der Bestimmung zu Zwecken, die mit der
Umgebung nichts zu schaffen haben, hineipgesetzt ist. Wie denn
nicht leicht ein schmuckvoller Palast Fabrikgebäude mit
Vortheil in eine Landschaft eintritt. "(last will über eine Um-
gebung von Gärten oder Häusern, aber icht über eine ungebun-
dene Naturumgebung herrschen, und das Fabrikgebtiude vereinigt
Arbeiter und Arbeiten, die wir uns durch keine Fäden des Inter-
esse's oder Wirkens mit der umgebenden Natur verknüpft denken.
Hingegen nichts landschaftlicher, als das Schloss auf einem Felsen,
was ohne Rücksicht auf Symmetrie und goldnen Schnitt allen Vor-