Volltext: Vorschule der Aesthetik (Theil 1)

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grünen Wand auch wohl ebenso das Leben und Weben des Men- 
schen mit seinen Leiden und Freuden in einer einsamen Wald- 
natur auf einmal vergegenwärtigen, wie das rothe Dach im Walde  
Als ich freilich dieses Beispieles gegen jemand gedachte, der, 
in der Schule der neueren Aesthetik erzogen  die Einführung der 
neuen Gottheit in sie, wofür er das Associationsprincip hielt, nicht 
dulden wollte, musste ich folgenden Einwurf ganz in Kants Sinne 
hören : 
All, das, sagte er, was die Erinnerung zum Eindrücke des 
rothen Daches und grünen Waldes hinzubrachte, was sich von 
Nebenvorstellungen anknüpfte, gehört gar nicht zum Wesen des 
ästhetischen, des wahrhaft landschaftlichen Eindruckes, und wäre 
erst abzusondern, um ihn rein zu haben. Denn der reine land- 
schaftliche Eindruck, um dessen llervorrnfung es insbesondere 
dem Künstler zu thun ist, ruht doch nur in den eigenen so zu 
sagen musikalischen Verhältnissen der Form und Farbe, die durch 
das Auge direkt in uns eingehen, und womit wir das wirklich 
Sichtbare, wie das Dach zum Hause, die grüne Waldfläche zum 
Walde in der Vorstellung ergänzen. Nur was Haus und Wald 
nach ihrem eigenen sichtbaren Wesen sind und wie sie damit in 
die übrigen Verhältnisse der Sichtbarkeit eingreifen, kommt für 
ihren landschaftlichen Eindruck in Betracht. 
Aber diesem Einwürfe liegt die Täuschung zu Grunde, dass 
Haus und Wald ihrem ganzen eigenen sichtbaren Wesen nach er- 
heblich mehr als bedeutungslose und bedeutungslos in die Ver- 
hältnisse _der Sichtbarkeit eingreifende, mit Farben ausgefüllte 
Lineamente sind. Erst die Brauchbarkeit des Hauses zum Woh- 
nen, erst das Vermögen des Baumes zum Wachsen, und was an 
Beidem hängt, bringt Inhalt, Leben, Tiefe in den Eindruck dessen, 
was wir davon sehen. Ja wie kann von einem romantischen, idylli- 
schen, historischen Charalgter der Landschaft überhaupt noch die 
Rede sein, wenn nicliiig.  was die Verhältnisse der Sichtbarkeit 
für das ganze Leben dä schen bedeuten, ihnen erst die höhere 
malerische Bedeutungü den immerhin an zuerkennenden gegen- 
sätzlichen, harmonischen und rhythmischen Verhältnissen der 
Farben und Formen verliebe. So weit diese in Betracht kommen, 
gewinnen sie selbst erst durch Aufnahme in jene höheren Be- 
ziehungen höhere landschaftliche Bedeutung, und sind dann frei- 
lich nach dem Hülfsprincipe als Träger des Höheren auch mit 
9!
	        
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