Volltext: Vorschule der Aesthetik (Theil 1)

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langen Reisen durch schöne Gegenden abgestumpft findet. Diess 
hindert nicht, dass der, der gewohnt ist in einer schönen Gegend 
zu leben, um so Weniger mit einer schlechten vorlieb nehmen mag. 
Was hier das neu hinzutretende Element der Vergrösserung über 
das gewohnte Mass thut, kann in andern Fällen ein andres neues 
Element oder eine andre Combinationsweise derselben Elemente 
thun. Hätte aber der Mensch noch nichts in sich von seinem frühe- 
ren Leben her, was er beim Anblick einer neuen Landschaft del1- 
nen oder in andrer Combination verwerthen könnte, so würde 
jede Landschaft ihm nicht mehr gewähren können, als ein grosser, 
mit Farben unregelmässig gemalter Teppich, den man vor ihm 
ausbreitet. 
Zwar etwas kann der Teppich nicht gewähren, was aber auch 
keine gemalte, sondern eben nur eine Wirkliche Landschaft ge- 
währen kann. Vielleicht fiel es auf, wenn ich unter den Umstäin- 
den , welche beim directen Eindruck der Landschaft in Rücksicht 
kommen, das Gefühl des ins Weite gerichteten Blickes erwähnens- 
werth hielt. In der That aber liegt, gegenüber der Anstrengung 
des Auges beim Nahesehen, in der Weite des Blickes eine Art 
sinnlicher Erholung oder Erquiekung des Auges, die sich, unter- 
stützt durch den sanften Eindruck der Farbe, am stärksten beim 
Blick in einen klaren Himmel hinein geltend macht, doch auch bei 
irdischer Fernsicht nicht fehlt, übrigens für schwache, leicht au- 
gestrengte, Augen wie das meinige erheblicher sein mag, als für 
kräftige. S0 wenig sie nun für sich in ästhetischer Hinsicht be- 
deuten mag, kommt sie doch nach dem ästhetischen [iülfsprincipe 
der Totalwirkung der wirklichen Landschaft gegenüber dem Tep- 
pich, wie der gemalten Landschaft, die so zu sagen ein Bret vor 
unserm Kopfe ist, gewiss mehr zu Statten, als man nach der Wir- 
kung für sich schliessen möchte. Wollen wir doch überhaupt 
nicht Alles auf Asso   schreiben. Es schlägt aber auch die 
direßie Wirkung hie  unmittelbar in eine associative aus, 
indem sich mit der   Blickes in die Landschaft die Vor- 
stellung der Grösse  in enthaltenen fernen Gegenstände as- 
sociirt, woran viel hängt. Nur auf einem grossen See kann man 
wirklich schiffen; nur ein grosser Berg erforderte viel tellurische 
Kraft gehoben zu werden, und erfodert viel menschliche Kraft be- 
stiegen zu werden. Bei der kleinen gemalten Landschaft können 
sich solche Associationen nur abgeschwächt geltend machen; sie
	        
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