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Der Unterschied zwischen directen und associirten Eindrücken
ist nicht mit dem Unterschiede zwischen niedern und höheren
Eindrücken als zusammenfallend anzusehen, [da sich vielmehr die
directen Eindrücke selbst in niedre und höhere unterscheiden,
und mindestens im Gebiete der Musik zu grosser Höhe ansteigen
können, wogegen mancher associirte Eindruck sehr niedrig blei-
ben kann, wie in jenem Beispiele (S. 92), wo sich an das Betasten
einer Speise die lebhafte Empfindung ihres Wohlgeschmackes, oder
an ein bestimmtes Wort die Vorstellung einer einfachen Sache
knüpft.
Um Klarheit über die Beschaffenheit und Entstehungsweise
ästhetischer Eindrücke zu gewinnen, ist nun vor Allem wichtig,
den Unterschied zwischen dem directen und associativen Factor
derselben überhaupt zu m a eh en; und schon mehrfach ist bemerkt,
dass diess nicht leicht geschieht, wie es geschehen sollte. In der Regel
wird die Leistung beider Factoren mehr oder weniger zusammenge-
worfen und namentlich die des associativen Factors sehr gewöhnlich
in die des directen mit eingerechnet, von andrer Seite aber auch
wohl die Wirkung des directen als in der des associativen mit
aufgehend oder dagegen verschwindend oder darauf zurückführbar
angesehen; denn so Wenig geläufig auch der heutigen Aesthetik
das Associationsprincip ist; so geläufig ist es ihr doch von dessen
Erfolgen zu sprechen.
Beides aber hat nicht nur tiefgreifende Unklarheiten und
schiefe Auffassungen zur Folge, sondern hat auch zwei einseitigen
Grundansichten über das Zustandekommen der Schönheit den
Ursprung gegeben, insofern dabei ein alleiniges oder übertriebenes
Gewicht auf den einen oder andern Factor gelegt wird.
In einseitiger Berücksichtigung oder untriftiger Ueberhebung
des directen Factors nämlich kann man sich denken, dass an sich
wohlgefallige Form- und Farbeverhältnisse, d. h. solche, welche
rücksichtslos auf angeknüpfte Bedeutung, Zäeckvorstellung, über-
haupt ohne Mitwirkung der Association gefallen, den Eindruck
ihrer Wohlgefälligkeit auf die Gegenstände, an denen sie vor-
kommen, übertragen, sie so zu sagen mit ihrer eigenen Schönheit
belehnen und dadurch schön machen; zweitens aber kann man, in
einseitiger Berücksichtigung oder untriftiger Ueberhebung des
associativen Factors, sich auch denken, dass umgekehrt die Schön-
heit, die wir den Formen und Verhältnissen mancher Gegenstände