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Musik das Hauplgewicht wirklich auf dem directen Factor, wie weiterhin zu
besprechen, Herbart aber vermengt Beispiele aus der bildenden Kunst, wo
es vielmehr auf dem associativen liegt, und aus der Musik hiebei in einer
Weise, welche zeigt, dass ihm der grosse Unterschied, der in dieser Hinsicht
zwischen beiden Künsten besteht, ganz entgangen ist. Uebrigens hat schon
Lotze (Gesch. d. Ae. 229) I-Ierbart gegenüber der Unterschätzung des associa-
tiven Momentes gewehrt.
Der häufigste Grund, die Bedeutung der Associationen für die
Schönheit sichtbarer Gegenstände herabzusetzen, ist immer der,
dass man zum Eindruck ihrer Form selbst rechnet, was durch
Associationen erst hinzukommt; sonst wäre überhaupt nicht mög-
lich, ihre Wichtigkeit so zu verkennen, wie es geschieht. Das
hängt an der Kraft, mit Welcher sich der directe Eindruck durch
Ursprünglichkeit, Klarheit und Bestimmtheit geltend macht, und
der ganz allmäligen, nur immer fester und inniger, zuletzt unver-
brüchlich werdenden Verschmelzung des associativen damit.
So sagt Vischer in s. kritischen Gängen (S. 137), und ähnlicher Auf-
fassung bin ich auch sonst begegnet: nEigentlich soll im Schönen die Er-
scheinung, die Form nicht bedeuten , sie soll nichts wollen, als sich selbst
ahssprechen. Ein Löwe bedeutet nicht die Grossmuth; er ist eben ein Löwe,
und der Inhalt seiner Formen einfach die bildende Naturkraft in dieser Art
der Gestaltung, mit diesen äusseren und inneren Eigenschaflenß
Aber Form und Kraft sind an sich ganz verschiedene Dinge; eine Form
kann wohl daran erinnern, dass sie durch eine Kraft erzeugt ist, indem wir
ähnliche Formen dadurch erzeugt gesehen, nicht aber an sich selbst die
Kraft zum Inhalt haben; sie bedeutet also in der That nur associativ die
Kraft, und zwar beim Löwen nicht nur die, welche ihn gebildet hat, sondern
auch, und noch viel mehr, die er selbst auszuüben vermag, nach entspre-
chenden Erfahrungen. In der That gehören vorgängige Erfahrungen zu hei-
derlei Deutung; die Form vermag sich nicht durch sich selbst in diesem
Sinne auszudeuten; man glaubt vielmehr nur herauszusehen, was man
hineinsieht.
Unstreitig zwar kann etwas vom kräftigen Eindrucke der Löwengestali,
auch daran hängen, dass man selbst mehr lebendige Kraft braucht, den
eckigen Umriss eines Löwen, als den rundlichen eines Schweines mit den
Augen zu ziehen , wozu es keiner Erinnerung bedarf; aber hinge die Haupt-
sache an diesem directen Eindrucke , so müsste uns die eben so eckige Kuh
eben so kräftig, und willkührlich gezogene eckige Linien noch kräftiger als
Löwenkraft erscheinen. Also mag die directe Wirkung der Löwengestalt
zwar nicht gleichgültig für den Eindruck der Kräftigkeit sein, aber würde
ohne die mächtigere associative Hülle keinen der Rede werlhen EtTect
haben.
Dass
Löwe
ein
nicht.
die
Grossmuth
bedeutet,
ist
zuzugeben.
Es