Volltext: Vorschule der Aesthetik (Theil 1)

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Allmälige 
Ausbildung des associirten Eindrucks. 
Die geistige Farbe, um uns dieses Ausdruckes wieder zu er- 
innern, welche die Gegenstände für den Menschen annehmen, 
kann sich natürlich erst im Laufe des Lebens nach Massgabe des 
Verkehrs damit entwickeln. Je jünger und roher der Mensch ist, 
und je weniger überhaupt noch der geistige Pinsel in ihm gewirkt 
hat, desto mehr überwiegt der directe Eindruck der Dinge. Je 
älter und erfahrener der Mensch wird, je mehr er die Dinge nach 
der Gesammtheit ihrer Beziehungen und Wirkungen hat kennen 
lernen, desto mehr fängt der geistige Eindruck davon an zu über- 
wiegen.  
Ein Erwachsener, der das stürmische Meer zum erstenmale 
sieht, wird doch die Erhabenheit des Schauspieles ganz anders 
fühlen, als ein Kind, was überhaupt zum erstenmale sieht, weil 
jener den neuen Gesichtseindruck nach alten deuten kann, dieses 
nicht. Letztres fühlt nichts als ein YVallen und Wogen auf der 
Farbentafel seines Auges, worüber es sich nur blöde wundern 
kann; dass Gewalt, Gefahr, Angst, Schiffbruch daran hängt, kann 
es nicht wissen, wie jener; und wenn bei jenem der Eindruck 
sich durch ein Schiff, was eben vom tobenden Meere verschlungen 
wird, gipfelt, so wird bei diesem der Eindruck davon selbst vom 
Eindrucke des Meeres verschlungen. 
Einem Blindgebornen, der so eben glücklich operirt ist, wird 
die Orange keinen andern Eindruck machen als die gelbe Holz- 
kugel, die rothe Hand und Nase gleich wohlgefällig erscheinen als 
die rothe Wange, wenn die Böthe nur gleich rein und lebhaft ist; 
eine kaleidoskopische Figur aber wird er schöner als das schönste 
Gemälde, wahrscheinlich auch schöner als das schönste Gesicht 
linden; obwohl man fragen kann, ob nicht Instinct etwas von der 
Association ersetzen kann, worüber künftig (Abschn. XII). 
Man drückt das Vorige wohl so aus, dass wir die Formen erst 
v erstehe u lernen müssen, um den rechten Eindruck davon zu 
erhalten, und warum es nicht so ausdrücken; nur muss man diess 
Verstehenlernen selbst recht verstehen, was nicht. der Fall ist, 
wenn man meint, wie Viele zu meinen scheinen, dass die Gegen- 
stände ihre Bedeutung dem Betrachtenden durch sich selbst ver- 
rathen, wofern er sich nur in dieBetrachtung recht vertieft. Viel- 
mehr, wie schon gesagt, will die Bedeutung der Formen so gut
	        
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