Volltext: Vorschule der Aesthetik (Theil 1)

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hohes Kirchengewölbe hinauf trägt den ersten Charakter, die Seele 
fühlt sich so zu sagen mit dem Blicke mit hinaufgezogen. Dachte 
man sich den Himmel oder die Decke in entgegengesetzter Rich- 
tung gewölbt, so würde der Eindruck vielmehr ein niederdrücken- 
der sein, es sein, als wenn sie den Menschen in den Boden drücken 
wollten. Hienach macht es auch keine gute Wirkung, wenn man 
bei Volksfestlichkeiten manchmal Blumenguirlanden von einem 
Hause zum gegenüberstehenden Hause quer über die Strasse ge- 
zogen und bauchig nach Unten gegen die Köpfe der darunter hin- 
gehenden herabhängen sieht; wogegen es nicht minder schlecht 
aussehen würde, wenn die halbkreisförmigen Blumenfestons, die 
bei solchen Gelegenheiten unter den Fenstern angebracht zu wer- 
den pflegen, vielmehr concav gegen die Strasse als gegen die 
Fenster wären, weil man sie nicht in Beziehung zu den Leuten 
auf der Strasse sondern zu den Fenstern und den sich daraus her- 
auslehnenden denkt. Wenn eine Stuhllehne sich nach vorn wölbt, 
unserm Rücken den Rücken zukehren will, so ist diess nicht blos 
unzweckmässig, sondern sieht auch schlecht aus, wogegen eine 
schwache Concavitat nach vorn uns als Einladung sich hineinzu- 
lcgen behagt. Ein Schild hingegen möchte man gar nicht anders 
als convex auf der den Feinden zuzukehrenden Seite sehen, indem 
man ihm seine abwehrende Eigenschaft gleich ansehen will, 
Zwar Polsterstühle, Sopha's, Buhekissen erscheinen um so 
einladender, uns in sie l1ineinzuversenken, je schwellender, also 
convexer sie sind. Aber hier wird der associative Charakter des 
Convexen, der sich aus den meiste n Fallen sammelt und mithin 
auf die meisten Fälle wieder Anwendung findet, durch den 
a usn a h m s weise n Charakter weicher elastischer Körper über- 
boten, denen wir eine Concavität nicht ansehen, aber selbst ein- 
drücken; nachdem wiederholte Erfahrung uns gelehrt hat, dass 
wir um so bequemer in dieser Goncavität ruhen, aus einer je 
grösseren Gonvexität sie erwachsen ist. 
Die horizontale Lage und den verticalen Stand an- 
langend, so ist es uns an sich geläufiger, und fällt uns leichter, 
eine horizontale Linie mit den Augen hin- und hergehend als eine 
Verticale auf- und absteigend zu verfolgen, und schon das neuge- 
borene Kind wird sich lieber umsehen als auf- und niederblicken. 
Also nimmt das Veiticale schon beim directen Eindrücke mehr 
Kraft in Anspruch als das Horizontale, und der Charakter des 
	        
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