Volltext: Vorschule der Aesthetik (Theil 1)

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Erinnerung an die freie Natur; doch wird man immer noch sagen 
können, dass eine grüne Zimmerwand verhältnissmässig 
mehr den Eindruck der Naturumgebung macht, als eine rothe, 
gelbe oder blaue, und dieser Eindruck steigert sich, wenn auch 
der Fussboden mit grünen Teppichen belegt, die Tische grün be- 
hangen sind, weil wir uns dann unter ähnlichen directen Verhält- 
nissen befinden, als in der Umgebung von Wald- und Wiesengrün, 
womit die Erinnerung daran kraftvoll entsteht. Ein in solcher 
Weise eingerichtetes Zimmer meiner eigenen Wohnung wird von 
meinen Bekannten scherzweise die grüne Schweiz genannt." 
So denkt auch Niemand bei der rothen Wange eines jungen 
Mädchens an Mord und Brand; der Eindruck des Roth ist hier 
durch eine zu allgemeine Erfahrnng für diese Art des Vorkom- 
mens gesichert; wenn wir hingegen eine rothe Feder am Hut eines 
kräftigen Mannes sehen, die an dieser Stelle eben so gut weiss 
oder blau sein könnte , so werden wir geneigt sein, ihm vielmehr 
einen wilden als sanften Sinn beizulegen. Und so wird überhaupt 
der associative Charakter der Farben sich nach den mitbestim- 
menden Umständen ändern können. Es ist in dieser Beziehung 
mit den Farben wie mit mehrdeutigen Worten. Ihre associative 
Bedeutung muss aus dem Zusammenhange erhellen?) Nur sind 
die Farben allgemeingesprochen vieldeutiger als die Worte. 
Das Blau begegnet uns in sehr grosser Ausdehnung am Him- 
mel , am Meer und an Seen, wenn eine heitre Ruhe in der Natur 
liegt ; und es ist kein Grund, dass sich der associative Erfolg da- 
von nicht im Eindrucke des Blau mit geltend machen sollte. Aber 
auch direct findet sich das Auge in einer sanften Weise durch das 
Blau beschäftigt, und man wird hier wie überall, wo directex" und 
associativer Eindruck in gleichem Sinne gehen, nicht wohl sicher 
scheiden können, was auf Rechnung der einen und andern Ur- 
sache kommt. 
Worauf überhaupt die Austheilung der Farben in der Natur 
beruht, wissen wir nicht, wenn schon sich naturphilosophisch 
darüber speculiren lässt. Für die Verwendung derselben Seitens 
der Menschen hingegen lassen sich mancherlei Motive finden, auf 
die hier einzugehen nicht der Ort ist; nur dass der einmal auf eine 
oder die andre Weise erlangte associative Charakter dann für die 
Auch diess ist schon triftig von C. 
Hermann bemerkt.
	        
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