Volltext: Vorschule der Aesthetik (Theil 1)

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selbst wenig zusagender Bedeutung vor uns haben; an einem an- 
dern Theile, der Sonne, dem Monde, den Sternen, der Krone, 
dem Golde ein glanzvolles Gelb immer mit dem Eindrucke, dass 
wir Juwelen des Himmels oder Macht und Beichthum bedeutende 
Kostbarkeiten der Erde vor uns haben.  
Nun sprechen fahle matte kraftlose Farben überhaupt das 
Auge schon direct wenig an, indess glänzende helle an sich er- 
freulich für das Auge sind; associativer und directer Nachtheil wie 
Vortheil stimmen also beidesfalls zusammen. Da uns aber das ge- 
meine fahle Gelb mit dem Nachtheile seiner Bedeutung viel öfter 
und in viel grösserer Ausdehnung begegnet als das glanzvolle Gelb 
mit dem Vortheile seiner Bedeutung, so wird es hieran wenigstens 
mit hängen, dass uns das Gelb allgemeingesprochen in einem ge- 
wissen Nachtheil gegen andre Farben, für die Entsprechendes nicht 
gilt, erscheint, lt) so dass wir es selbst vorziehen, wie G. Hermann 
sinnreich bemerktfi) den gelben Wein blank oder weiss, das gelbe 
Gold roth zu nennen, um bei diesen von uns geschätzten Gegen- 
ständen die unwillkommene Association zu vermeiden. Aus dem- 
selben Grunde wird man nicht gern von einer gelben Sonne, gel- 
ben Sternen, sondern nur von einer goldnen Sonne, goldnen Ster- 
nen sprechen. 
Vom Grün kann man im Allgemeinen sagen, dass es uns ein 
gewisses Naturgefühl erweckt, weil die Natur im Ganzen und 
Grossen grün ist; indess am Eindruck eines gesättigten R0 th un- 
streitig die Erinnerung an Blut und Glut, an dem des R0 sa die 
Erinnerung an die Rose vorzugsweisen Antheil hat, weiP diese 
Farben an diesen Gegenständen uns nicht nur besonders häufig, 
sondern auch mit besonderm Anspruche an unsre Aufmerksamkeit 
entgegentreten. 
Eine grüne Zimmerwand, ein grüner Papierbogen erwecken 
uns freilich, selbst wenn sie ganz die Farbe des Grases oder Laubes 
tragen, kein Naturgefühl, denn die Umstände, unter denen wir das 
Grün hier beobachten, stehen in zu starkem Widerspruch mit der 
ü) Vielleicht steht es auch in einigem directen Nachtheil gegen andere 
Farben, doch mag ich diess nicht sicher entscheiden. 
M) Grundriss d. allg. Aesth. 79. -Man wird in dieser Schrift und in der 
nAegthetischen Fapbenlehren des Verf. überhaupt manche interessirende und 
anregende Bemerkung über den äslhetischen Farbeneindruck finden; wenn 
ich auch denselben nicht überall beistimmen möchte.
	        
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