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darauf gekommen, sirenn sie von vorn herein im Dienste der Schön-
heit gestanden, der man sie jetzt als leibeigene Sklavin dienstbar
gemacht; statt dessen hat sie von vorn herein im Dienste der Beli-
gion gestanden, und deren anfangs ungefüge und ungeheuerliche
Ideen nicht anders als in entsprechend ungefügen und ungeheuer-
lichen Bildungen auszudrücken gewusst. Nun sind wir längst über
diese Ideen hinaus, immer noch aber scheint uns der Kopf zum
Körper der Sphinx zu passen, so fest hat die Gewohnheit beide
associativ verschmolzen.
Zeitliche Association.
Verstandes-
und Gefühlsurtheile.
Wenn zwei Personen ein Gebäude ansehen, dessen Dach auf
zu schwachen Stützen ruht, so kann es sich treffen, dass dem Einen
sein Verstand, dem Andern sein G efühl sagt, dass sie brechen
werden, und Beide danach dasselbe missfällige Urtheil über diese
Bauweise aussprechen. Der Unterschied zwischen beiden Ur-
theilenden aber ist der, dass jener sich der Erfahrungen oder Be-
geln über die Tragkraft der Säulen, welche sein Urtheil vermitteln,
bewusst ist, dieser nicht. Doch wird man wohl zugeben, dass es
auch diesem nicht a n geb ore n sei, einer Säule anzusehen, ob sie
Tragkraft genug für ihre Last hat, dass also dieses schnelle Ab-
sehen doch ein Resultat früherer Erfahrungen ist, was sich beim
Anblick des Bauwerks unmittelbar geltend macht. Wenn jemand
ein Kind sich so weit nach Vorn überbeugen sieht, dass dessen
Schwerpunct nicht mehr unterstützt ist, so springt er schnell zu,
weil ihm ein reflexionsloses Gefühl sofort sagt, dass das Kind fallen
wird. Auch hier wird man wohl zugeben, dass eine stille Ver-
mittlung durch frühere Erfahrungen zu Grunde liegt, wenn man
in Betracht zieht, dass ja das Kind selbst und früher war man
doch auch ein Kind noch nicht einmal das Gefühl hat, wie es
seinen eigenen Schwerpunct legen muss, um aufrecht stehen zu
bleiben. Erst durch Uebung kommt es dahinter. Also ist das,
was wir hiebei Gefühl nennen, in der That nur Sache einer, durch
frühere Erfahrungen vermittelten, schnellen Association, wodurch
sich die Vorstellung des zu erwartenden Zerbrechens der Säule
an die Vorstellung der zu grossen Dünne, die Vorstellung des zu
erwartenden Falles an die Vorstellung des gegenwärtigen Vorn-
überbeugens knüpft. Die einzelnen Erfahrungen sind aus unserm
jäk