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lichen Blume lässt sie als ein Lebendiges erscheinen und alle Asso-
ciationen der wirklichen Blume möchten sich darauf übertragen ;
aber das associative Gefühl, dass sie doch vielmehr künstlich ge-
macht sei, lässt jene Associationen nicht recht zur Geltung kom-
men, ohne sie ganz bannen zu können. Das giebt einen Streit,
den jeder empfindet, auch wenn er ihn sich nicht- klärt. In ge-
wisser Weise freuen wir uns der Künstlichkeit, .wie jeder wohl-
gelungenen Nachahmung, um so mehr, als etwas Wohlgefäilliges
dadurch nachgeahmt wird, in gewisser Weise aber wird das Wohl-
gefallen, was wir an einer natürlichen Blume haben würden, da-
durch verkürzt, dass wir uns die künstliche doch nicht mit den
wirklichen Vorzügen der natürlichen vorstellen können.
Ergänzende Association.
Die Association kann nicht blos ausmalen, sondern auch ganze
Stücke ergänzend zufügen, und hieran hängt es viel öfter als an
Verhältnissen des directen Eindruckes, dass uns etwas zusammen-
oder nicht zusammenzupassen scheint.
Es sei in einem Bilderbuche die Figur eines Thieres, z. B.
Hundes, halb verdeckt gegeben, so dass nur Kopf oder Körper
sichtbar ist, so wird die associirende Vorstellung zum Kopf des
Hundes dessen Körper, oder zum Körper dessen Kopf ergänzend
fügen, mit mehr oder Weniger Bestimmtheit, je nachdem man die
betreffende Hunderace mehr oder weniger aus Erfahrung oder an-
dern Abbildungen kennt; nur dass die associative Ergänzung den
direct sichtbaren Theil doch niemals in Bestimmtheit erreichen wird.
Werde nun der verdeckte Theil aufgedeckt, so wird er uns zu dem
vorher erblickten und dieser zu jenem zu passen oder nicht zu"
passen scheinen, je nachdem er unserer Associationsvorstellung in
den Gränzen der Bestimmtheit, die sie nun eben hat, entspricht
oder widerspricht, und hieraus nach dem Princip der Einstimmig-
keit ein Gefühl der Befriedigung oder Nichtbefriedigung hervor-
gehen können, das unter Umständen eineerhebliche Stärke zu
erreichen vermag. Was sich nun aber hier zwischen zwei Theilen
zeigt, von denen der eine von vorn herein offen vorliegt, der zweite
nachträglich hiezu der Anschauung geöffnet wird, tritt auch ein,
wenn beide von vorn herein offen vorliegen. Jeder macht asso-
ciationsweise gewisse Foderungen an den andern, je nach deren
Fech uer, Vorschule d. Aestlietik. ' 7