Volltext: Vorschule der Aesthetik (Theil 1)

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mentreflen, sich darauf summiren, componiren, kann der associirte 
Eindruck sehr stark und inhaltsvoll werden. An was Alles erin- 
nert nicht die Orange und wie interessant ist das, woran sie erin- 
nert, gegen ihre hlosse Form und Farbe. Werden Erfahrungen 
sehr oft in demselben Sinne gemacht, so kann der associirte Ein- 
druck, der sich daraus im Geiste sammelt, den direoten sogar 
endlich weit überwachsen, wogegen in Fällen, wo die Erfahrungen 
sehr unbestimmt und nicht selten gegensätzlich wechseln, der 
associirte Eindruck unbestimmt und schwach bleibt, indem das 
Gegensätzliche darin sich abschwächt oder hebt, WO dann der 
directe Factor als das Haupthestimmende des Eindruckes übrig 
bleibt. 
Wie weit jenes Uebergewicht des associirten über den direc- 
ten Eindruck unter Umständen gehen kann, mag uns ein alltäg- 
liches Beispiel lehren. Hält man einen Finger in doppelte Ent- 
fernung vor die Augen, so meint man, ihn noch genau eben so 
gross zu sehen; und doch ist sein Bild in den Augen nur halb so 
gross und kann er einem frisch operirten Biindgeiaornen nur halb 
so gross erscheinen. Das aus unserer ganzen Lebenserfahrung 
fliessende Wissen, dass er in jeder Entfernung gleich gross bleibt, 
übertänbt die sinnliche Erscheinung seiner Ungleichheit so ganz, 
dass wir ihn selbst mit den Augen in jeder Entfernung gleich zu 
sehen glauben. Uebersteigen jedoch die Entfernungen unsern ge- 
läufigen Erfahrnngskreis, so erscheinen uns die Gegenstände Wirk- 
lich nach Massgabe der Entfernung verkleinert, so Sonne und Mond 
in der Höhe und die Gegenstände von hohen Bergen herab. Ist es 
hienach zu irerwundern, wenn wir auch die aus frühern Erfah- 
rungen resultirende Wohlgefälligkeit vieler Dinge für Sache ihrer 
sinnlichen Erscheinung halten, die vielmehr Sache unsrer geistigen 
Znthat ist. 
So viel nach Vorigem auf den associirten Eindruck zu geben 
ist, muss man sich doch hüten, zu viel auf ihn zu geben, Wozu 
man leicht verführt sein könnte, nachdem man einmal seine Wich- 
tigkeit erkannt hat. Denken wir uns an der Orange statt der 
schönen goldgelben eine graue unscheinbare Farbe, statt der reinen 
Rundung eine schiefe krüpiige Form, so werden alle angeknüpften 
Erinnerungen sie nicht schön, nicht wohlgefällig erscheinen lassen; 
der directe Eindruck hat auch sein Recht, und wir werden ihm 
dieses künftig ausdrücklich wahren. Aber desshalb darf man auch
	        
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