Volltext: Die Künstlerfarben der Neuzeit im Vergleiche zu früher und deren Behandlungsweisen

jährigen diesbezüglichen Erfahrungen des in dieser Beziehung mafs- 
gebenden alten Praktikers, des Königl. Professors und Conservators 
Hauser. 
Einen Weiteren Punkt möchte ich bei dieser Gelegenheit mit- 
erwähnen, der „die Verwendung gebleichter und ungebleichter Oele" 
betrifft. Die Verarbeitung gebleichter Oele ist in jeder Beziehung 
zu verwerfen, da dadurch lediglich eine grofse Selbsttäuschung 
hervorgerufen wird; indem jedes Oel, gebleicht oder ungebleicht, 
wieder nachdunkelt, so ist es selbstverständlich, dal's der Nach- 
dunkelungsprocefs bei dem gebleichten Oele viel mehr zum Aus- 
druck kommt, als bei dem ungebleichten, und es kann daher 
lediglich die Verwendung einfach gereinigter, aber nicht ge- 
bleichter Oele empfohlen werden. 
So weit hätten wir es mit den Oelfarben zu thun, wie sie 
nach Anfang des 15. Jahrhunderts und später üblich waren. Seit- 
dem jedoch die gewerbliche Thätigkeit sich der Herstellung solcher 
Oelfarben angenommen hat, ist eine nicht unwesentliche Modi- 
fication in derselben eingetreten. Das Leinöl wurde nach und 
nach durch Mohnöl verdrängt, und wenn auch der Unterschied in 
der chemischen Zusammensetzung bei beiden Oelen ein nicht sehr 
grofser ist, so ist doch schliefslich der Unterschied in physikalischer 
Beziehung ein sehr wesentlicher, der Ihnen durch den verschieden- 
artigen Auftrocknungsprocefs der beiden Oele genügend bekannt 
ist. Ich plaidire weder für die alleinige Verwendung des Lein- 
öles, noch für die alleinige Verwendung des Mohnöles, sondern 
verlange, dal's, soweit diese Oele als Bindemittel der Farben Ver- 
wendung finden, die Mischungen dieser Oele als Bindemittel ge- 
nommen werden sollen. Die Verhaltnifszahlen, zu denen die beiden 
Oele genommen werden sollen, werden sich je nach dem Erforder- 
nifs der betreffenden Farbe zu andern haben. Ich komme jedoch 
auf dieses Thema noch später bei den modernen Harzölfarben zurück. 
Ein weiterer Unterschied der heutigen modernen Oelfarben 
gegen die früheren ist der, dafs sie vollständig frei von irgend- 
welchen I-Iarz- oder Firnilszusätzen sind. 
Diese eben angegebenen Unterschiede der Oelfarben von 
heute und sonst sind jedoch nicht die schwerwiegendsten; der 
wesentlichste liegt darin, dal's die heutigen Oelfarben, und zwar 
ohne Ausnahme, einen gewissen Procentsatz Wachs enthalten, 
lediglich aus dem Grunde, um den Oelfarben ein geschmeidigeres
	        
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