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ähnlich, wie der Gyps oder die Kreide, bloss mit Leim gemischt,
oder, was ihrer Klebrigkeit Wegen wohl anginge, auch allein
aufgetragen worden und habe so zum Wegsaugen des in den
Farben enthaltenen Oels gedient, hat wohl wenig NVahrschein-
lichkeit für sich und bedarf jedenfalls des Nachweises aus alten
Schriften oder an Werken selber. Die zahlreichen auf sog.
Bolusgründe gemalten Oelbilder zeigen aber immer ein Mal-
verfahren, zu dem sich einsaugender Grund wenig geschickt
haben würde. Wir sehen entweder, und dies ist bei den sorg-
fältig geführten der Fall, ausserst subtile neutralgraue, halbdeck-
farbige Untermodellirungen, in deren dunklen Tönen das Durch-
scheineil des rothen, dunklen Grundes benützt ist, oder aber
wir sehen, wie z. B. bei den ausartenden Caraccesken, bei Cara-
vaggio, den späteren Zopf- und Perrückenmalern, flott und
Flüssig impastirte Primamalereien, ebenfalls mit Benutzung des
Untergrundes in den dunklen, nur ganz dünn darüber gezogenen
Schattentönen. Dies Alles, nicht zu vergessen den geschmei-
digen, frischen und geistvollen Pinselvortrag dieser NVerke,
würde ein aufsaugender Malgrund nicht gestattet haben. Für
das Gelingen einer Primamalerei, die nicht etwa so unfertig
und oberflächlich, wie manche moderne, sondern, wie eine von
Tintoretto, Ribera und so manchem Barrokmaler herrührende
aussehen soll, ist erste Voraussetzung, dass die Töne unter
dem Malen so stehen bleiben, wie sie frisch hingesetzt werden.
Diesen Vorteil gewährt unter allen Malarten nur die Oel-
malerei auf nicht einsaugendem Grund; einsaugendeUnter-
lage aber hebt ihn auf. Und hiemit fällt die moderne Hypo-
these der einsaugenden Bolusgründe in sich selbst zusammen.
In dem obigen Recept des Volpato wird der bolusfarbige
Malgrund denn auch aus Oelfarbe gefertigt und kommt in der
Notiz über del Ponte keine Sylbe von Grundirung mit reinem,
oder mit Leim verriebenem Töpfer- oder Pfeifenthon (Bolus)
vor, sondern es wird als Untergrund der Imprimitur aus Oel-
farbe ausdrücklich Gyps genannt. Reine Thonerde und
Gyps zusammen würde aber doch hoffentlich auch den heu-
tigen Enthusiasten des Einsaugens des Guten etwas zu viel
scheinen.
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