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Schluss heisst es, mit Lack ohne Bindemittel lasire man über
Zinnober, der mit Bindemittel aufgetragen und trocken sei.
Hier würde also der unteren schwachen Leimschicht der
Leinwand allein die Bindung der Untermalungsfarben überlassen
sein? Von einer Uebermalung mit Oelfarbe ist kein Wort
gesagt und es ist nur Vermuthung einiger Interpretatorenl, dass
dieselbe nachzufolgen habe. Ich sah indessen moderne Maler
Oelbilder wirklich in solcher Weise mit reinen, ungetemperten
Wasserfarben untermalen, nur, dass der Leimgrund kein
schwacher, sondern vielmehr ein sehr starker war. Nach Be-
endigung der Untermalung strichen sie das Ganze mit einer
Mischung aus Leinöl und Benzin an, wodurch es hxirt ward.
Nachdem es getrocknet war, lasirten, retouchirten und über-
malten sie mit Oelfarbe. Die ganze Procedur führte sehr
rasch zum Ziel, aber zu keiner sehr kräftigen und ausgeführten
Malerei, ausser, es wäre dann zu mehrmaliger Uebermalung
weitergeschritten worden.
Gegen die Bestimmung des von Lionardo beschriebenen
Verfahrens für Uebermalung mit Oelfarbe spricht ein sehr wich-
tiger Umstand. Es arbeiten sich nehmlich beim Malen mit den
Wasserfarben die kleinen, durch das Leimen niedergelegten
Fäserchen der Leinwand aus dem Leim, wenn derselbe schwach
ist, wieder heraus und stehen durch die Farben hervor. Bei
Uebermalung mit Oelfarbe bereiten sie dann hässliche Störungen,
die höchstens bei Bildern sehr grossen Formates, die nur von
Weitem betrachtet werden, nicht in's Gewicht fallen.
Ich möchte das von Lionardo geschilderte Verfahren eher
für sogenannte Malerei al succo halten, d. h. eben für reine
Wasserfarbenmalerei auf weisse, gebleichte Leinwand. Dies
Verfahren wird noch heute in Italien vielfach angewandt, wo es
gilt, für festliche Gelegenheiten rasch grosse Decorationen her-
zustellen.
Farbzge
Jlfalgründe.
Van Eyck und seine ersten Nach-
1 Z. B. Märimäzäs: de 1a peinture ä. Phuile, Seite
des Lionarddschen Malerbuches gemeint sein kann,
drücklich citirt ist.
18, wo nur diese Stelle
obwohl sie nicht aus-