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dem Einfluss der in die dahinter befindliche Mauer eingedrungenen
Feuchtigkeit, die nach vorn zu nicht verdunsten konnte, blasen-
förmig, als besondere, brüchig gewordene Kruste von der Mauer
losgemacht; während oft auf die nehmlichen Wände gemalte
F resko- oder Temperabilder, die das Wasser ungehindert durch
ihre Schicht hindurchgehen und so nach vorn verdunsten. lassen,
allezeit wieder trocken werden und durchaus unbeschädigt auf
der Wand sitzen bleiben.
Somit ist nicht wohl anzunehmen, dass die Vorsichtigeren
und Intelligenteren unter den alten Oelmalern sich der dicken
Gyps-Leimgründe sehr lange bedient hätten. Man begegnet
auch wirklich gerade unter den allerschönsten und ältesten
Werken der Oelmalerei zahlreichen Beispielen, wo die Grundi-
rung sammt dem F arbenauftrag so dünn und zart ist, dass man
allerwärts die Holzfasern der Tafel hindurchfühlt, was sich dann
besonders deutlich auf Photographien nach den Bildern zeigt.
Ja, bei einer grossen Mehrzahl dieser Bilder möchte es sehr
gewagt sein, die unzweifelhaft Weissen oder hellgelblichen Grun-
dirungen, auf die sie gemalt sind, überhaupt noch für Gypsgründe
zu erklären. Kleine Stückchen des Grundes, die zuweilen
etwas übergreifend an den Rändern der Tafeln blossliegen,
zeigen vielmehr sehr oft ganz die Textur ausgetrockneter Oel-
farbe, und es ist ja doch auch fürjeden, der mit Oelfarbe um-
geht, nichts Unnatürliches, Holz direkt mit solcher anzustreichen.
Wird man denn, WO man längst vor van Eyck's Zeit Holz- oder
Eisen mit Oelstrichen versah, stets vorher Gyps aufgetragen
haben? Bei diesen Bildtafeln war dies allerdings wohl vortheilhaft,
denn hier handelte es sich vor Allem um die Herstellung einer
möglichst glatten, von allen störenden kleinen Unebenheiten
freien Mali-lache, jeder Maler aber, der nur einmal in den Fall
kam, an einer delikaten. Stelle eines Bildes eine entstandene
kleine Verletzung, eine vom Schabmesser hinterlassene Furche
oder Vertiefung oder dergleichen mit der umgebenden Fläche
in's Gleiche bringen zu müssen, weiss, dass er dies weit rascher
und solider mit etwas Gyps-Leim bewerkstelligte, als mit auf-
gestrichener Oelfarbe. Denn der Gyps-Leim füllt die Vertiefung
sofort völlig und fest aus, ist baldigst trocken, lässt sich dann