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Ueber die Art, wie van Eyck und seine nächsten Nachfolger
in den Niederlanden, in Italien und Deutschland ihre Tafeln
präparirten, besitzen wir keinerlei genauere authentische, zeit-
genössische Nachricht. Der späte Carel van Mander (geboren
1 548, gestorben 1606) sagt im ersten Theil seines "Schilderboeckm,
in den gedichteten Anweisungen zur Malerkunst, Capitel XII,
Vers I6_I9 nachdem er vorher von der dem eigentlichen
Malen eines Bildes vorausgehenden Anfertigung des Cartons
und dessen genauer Durchführung gehandelt die älteren
Hämischen Meister (ons moderne vorders) hätten ihre Holz-
tafeln gewöhnlich dicker ,.mit Weiss bestrichen", als seine Zeit-
genossen. Sein Ausdruck „plochten hun penneelen dicker als
wy te Witten", berechtigt nicht einmal zu der Annahme, dass
dies Weiss in allen Fällen ein Kreide- oder Gypsgrund gewesen
sei. Denn zu Anfang desselben Capitels XII, Vers 7-9, hat
der Autor schon von Meistern erzählt, welche die erste Auf-
zeichnung sehr sauber und ausgeführt mit nur einer dünnflüssig
gemachten Farbe auf der Imprimitur (primurersel) anfertigten.
Dieser Ausdruck "Imprimitur" bedeutet aber zu van Manders
Zeit-wie wir später sehen werden zweifellos einen Malgrund
aus Oelfarbez. Auch in Vers 16 heisst es nur weiter, die
älteren Meister hätten dieses dicker aufgetragene Weiss so glatt
geschabt, wie sie es gern mochten (als sy wel mochten), um dann
den Carton auf's Sauberste darauf überzupausen und diese Durch-
zeichnung mit schwarzer Kreide auszuziehen. Dies kann also
ebensowohl auf einem Grund aus weisser Oelfarbe, als auf einem
Kreide- oder Gypsgrund vorgenommen worden sein.
Vers I7 besagt, Einige hätten die Vorzeichnung auf dem
I Carel van Mander. lIet Schilderboeck. Amsterdam. 1618. I. P.
Wachter. Neuerdings die Lebensbeschreibungen allein, ohne den kunst-
theoretischen Theil herausgegeben von Herrn H. Hymans. (Französische
Uebersetzung).
2 Dass der Autor bei dem, was er in diesem Kapitel über nieder-
ländische Malerei sagt, überhaupt nur Oelmaierei im Sinne hat, geht aus
den geschilderten Manipulationen des Untermalens, Uebermalens auf dem
Trocknen, endlich auch aus der Abmahnung von der einreissenden Mode des
dicken Farbenauftrags hervor. In Wasserfarbenmalerei können alle diese
Dinge nicht Avorkommen.