Volltext: Die materielle Dauerhaftigkeit der Oelmalereien (Theil 2)

179 
gerade diejenigen Eigenschaften und Hilfsmittel ein, die den 
Hauptvorzug der Oelrnalerei ausmachen. Will man sich auf 
das Einfachste von der Irrigkeit der Ansicht überzeugen, dass 
die älteren flämischen, deutschen und italienischen Oelmalereien 
ihre heute noch so wohlerhaltene F arbenbrillanz oder gar -Trans- 
parenz Gyps- oder Kreidegrundierungen verdankten, die das 
trübende Oel aus den Farben hinweggesogen hätten, so ver- 
gleiche man diese Tafeln nur mit den Erzeugnissen einer mo- 
dernen Oelfarbentechnik, zu deren Grundprincipien, wie wir mit 
Sicherheit wissen, die Oelentziehung mittelst eigens dazu prä- 
parirter Kreidegründe wirklich gehört. Eine grössere Ver- 
schiedenheit des coloristischen Erfolges lässt sich kaum denken. 
Hell zwar, aber nichts weniger als leuchtend, sondern vielmehr blass, 
dumpf und undurchsichtig, öde, trocken, kraft- und leblos steht 
die F arbenerscheinung solcher moderner Bilder neben dem kern- 
gesunden, innerlich licht- und farbenglühenden Colorit der äl- 
teren. Wer den optischen Unterschied dieser beiden Erschei- 
nungen nicht fühlt, muss mit Blindheit geschlagen sein. Gerade 
das Gegentheil jener Ansicht wird durch das innerliche, farben- 
intensive Leuchten der alten Tafeln bewiesen, denn dieses ist 
aus physikalischen Gründen überhaupt nur möglich und erreichbar, 
wenn den Farben ihr Gehalt an transparentem Bindemittel er- 
halten bleibt, Durch undurchsichtige Farben kann kein 
weisser Grund mehr hindurchleuchtenl. Und da es nicht wohl 
statthaft ist, anzunehmen, dass diese so einfache Wahrnehmung 
jenen unerreichten alten Meistern des Colorites entgangen sein 
sollte, so wird man dieselben auch wohl des schnurrigen Ein- 
falles nicht für fähig halten dürfen, sie hätten ihren Farben das 
Kraft und Durchsichtigkeit verleihende Bindemittel bloss darum 
mühsam zugerieben, um es beim Malen durch den Malgrund 
sofort wieder daraus entfernen zu lassen. 
1 Lionardo da Vinci, Das Buch von der Malerei. Quellenschriftenaus- 
gabe, Nr. 191 (172). „In Bildern lebhafte und schöne Farben zu behan- 
deln.  Den Farben, denen du Schönheit verleihen willst, wirst du stets 
einen äusserst hellen Untergrund bereiten. Dies sage ich für die durch- 
scheinenden Farben, denn denen, die dies nicht sind, hilft solch ein heller 
Untergrund zu Nichts." 
12":
	        
Waiting...

Nutzerhinweis

Sehr geehrte Benutzerin, sehr geehrter Benutzer,

aufgrund der aktuellen Entwicklungen in der Webtechnologie, die im Goobi viewer verwendet wird, unterstützt die Software den von Ihnen verwendeten Browser nicht mehr.

Bitte benutzen Sie einen der folgenden Browser, um diese Seite korrekt darstellen zu können.

Vielen Dank für Ihr Verständnis.