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Das einzige Bindemittel der Farben ist natürlich das Harz,
das nach Verdächtigung der Essenz allein bei denselben zurück-
bleibt. War ein Harz einmalvin einer Essenz gelöst, so wird es
nach dem Trocknen sehr leicht durch dieselbe Essenz wieder
aufgeweicht. Dieses geschieht also auch gern einer ersten, ge-
trockneten Harzfarbenschicht beim Uebermaltwerden mit einer
zweiten, nassen, und zwar geschieht es um so leichter, als die
Harzessenzfarben nicht in feuchtem, tractablem Zustand auf der
Palette sitzen, sondern in Form getrockneter breiartiger Hauf-
lein'; von denen man das auf die Malerei zu Tragende mit dem
zuvor in reine Terpentin- oder Lavendelessenz getauchten
Pinsel aufweichend hinwegnehmen muss ähnlich, wie man
beim Malen mit Aquarellfarben mit einem mit Wasser gefüllten
Pinsel thut. Somit ist also der Farbenauftrag immer ein
ziemlich nasser.
Dehnbar und geschmeidig sind diese Farben natürlich nur
so lange, als die Terpentinessenz nicht aus ihnen verflüchtigt
ist. Da sich dieselbe sehr rasch verflüchtigt, so ist die Dauer
der Dehnbarkeit keine grosse. Eine fiarbenschicht über eine
grosse Fläche hin schön eben und gleichmässig zu legen, ist in
Harzfarben kaum möglich; auch wo es mit sehr verdünnter
Farbe, mit leichter, sicherer Hand in raschestem Zug versucht
wird, sind Ungleichheiten unvermeidlich. Solche Ungleichheiten
lassen sich hier nicht, wie bei Oelfarben, nachträglich mit
trockenen Pinseln vermalen, denn die Farbe ist alsbald nach
dem Auftrag untractabel. Würde man die Ausgleichung aber
mit befeuchtetein Pinsel versuchen, so würde man das Uebel
nur verschlimmern, weil sich die angezogene F arbenlage unter
der Berührung des Pinsels überall auflösen und fleckig zu-
sammenschieben würde.
I Die Feinverreibung der Harzessenzfarben ist wegen des raschen
Trocknens der Harzessenz nur in der "Weise möglich, dass man die Farben-
pulver zuerst mit reiner Terpentinessenz fein verreibt, dann erst den Harz-
essenzfirniss hinzugibt und während der Verreibung desselben mit den Farben
häufig Terpentinessenz zugiesst, weil der Firniss und der mit demselben
gemischte Farbenbrei immer wieder von Neuem anzieht und die Umdrehungen
des Reibeinstrumentes durch seine Zähigkeit hindert.