97
übrigens die Harzölfarben auch sonst nicht frei sind, sobald
sich in ihrem Bindemittel das gekochte Oel in starkem Ueber-
gewicht über das Harz vorfindet, wie doch nothwendig bei den
meisten Pigmenten der Fall sein muss. Setzt man aber Ter-
pentinessenz behufs Vermehrung der Geschmeidigkeit zu, so
verlängert man doch nicht die Dauer dieser letzteren und" ver-
hindert auch die Hautbildung nicht, da die Essenz zu rasch
verdunstet.
Aus diesen Gründen wird die Verschmelzung der Töne
und die Reinheit der Abtönungen behindert, der Vortrag meist
ein stockiger und hässlicher. Das zu rasche Trocknen, das
kein Vollenden im Nassen gestattet, nöthigt und verführt zu
mehrmaligem Vornehmen der nehmlichen Bildpartieen und
daher zu dickem Auftrag. Zu diesem nöthigt aber auch noch
ein anderer Umstand. Durch den Harzgehalt sind zwar alle
durchsichtigen und lichtabsorbirenden dunklen Farben in ihrer
Qualität gesteigert worden, die hellen und deckenden Pigmente
hingegen werden durch ihn entkräftet und durchscheinend ge-
macht. Sie müssen daher, um zu wirken, höher in Schicht
gelegt werden, zum Schaden der Zeichnung und verschmolzenen
Durchführung der Formenmodellirung.
Zu Vollendung durch Lasur eignet sich dann eine solche
Unterlage unverbundener Farbenklumpen nicht. Die hässliche,
rohe und dabei kleinliche Mosaikmalerei unharmonischer; unver-
bunden nebeneinander sitzender F arbentöne, der man in neuester
Zeit so oft begegnet und deren Erzeugnisse den Keim baldigsten
materiellen Zerfalles in sich tragen, ist das fast unvermeidliche
Resultat der heutigen Harzölfarbentechnik. Wo aber diese
Technik nicht zu solchem Unflath führt, begünstigt sie höchstens
eine gewisse hohle, schnellfertige, speckglänzende Eleganz, oder
die Zwitterhaftigkeit einer nicht minder oberflächlichen, halb
speckig glitschigen und zerflossenen, halb roh hingebürsteten
Bravourmalerei, oder endlich eine dunkle, skizzenhafte, Form und
Farbe nur unsicher und verzagt andeutende Duselei.
Aus demselben_Grund, wie die mit gekochtem Oel ver-
riebenen Farben, werden auch die Harzölfarben bei der Ver-
reibung leicht mit Bindemittel überfüllt, daher speckig glänzend
Ludwig, Technik. II. 7