Volltext: Die materielle Dauerhaftigkeit der Oelmalereien (Theil 2)

lich gestattet, da kann die Ueberzeugung von der Erforderlichkeit 
solider Bindemittel noch keine tiefen Wurzeln geschlagen haben. 
Immerhin liegt auch derlei noch im Bereich des cruden chemi- 
schen Experimentirens.  
Dagegen fällt es schon ganz ausserhalb des chemischen 
Gesichtskreises, dass ein Maler auch ohne Bedenken Nutzen 
aus den prächtigen Tönen solcher Pigmente zieht, die vor dem 
Licht binnen Kurzem verblassen. Er benützt sie einfach als 
tieiklare Unterlegungen deckfarbiger und halbdeckfarbiger Mo- 
dellirungsscalen. Alsdann werden sie durch diese Decken vor 
der Berührung des Lichtes geschützt und leisten in Folge ihrer 
Farbenkraft und -Klarheit den Tönen der lichthöhenden Auf- 
modellirung ihren Dienst als Folie in sehr vorzüglicher Weise. 
Andre Pigmente wider, die sich als Oelfarben gut halten, 
wenn sie frei an Licht und Luft stehen, dagegen nach- 
dunkeln, wenn sie davon abgesperrt sind, wird ein Maler eben 
nicht in Unterlagen verwenden und durch diese Vorsicht den 
zweideutigen Ruf Lügen strafen, in dem ihre Haltbarkeit in der 
chemischen Prüfungsanstalt steht.  Für die mannigfachen 
Arten der Consistenz nun gar, welche die Farbenpaste ab- 
wechselnd haben muss, um die verschiedenen Dienste des Deckens, 
des Halbdeckens, Verschleierns, der Voll- und der Zartlasur in 
allen deren unzähligen Abstufungen, zu leisten, sowie die Vor- 
theile der Vermalbarkeit im Frischen, F lüssigen, Halbtrocknen 
u. s. w. zu bieten, wie die Farbe hier bald eine fettige, bald 
eine mehr wässerige Geschmeidigkeit durch den Zusatz der 
Malmittel zu bekommen hat, jetzt mager und ohne Firniss, 
dann wieder, mit eingedicktem Firniss ganz erfüllt und gesättigt, 
aufzutragen sei, für alle diese Dinge könnte man einem Chemiker 
oder sonstigen Kunstlaien auch dann nicht einmal ein Ver- 
ständniss beibringen, wenn man sie ihm oftmals vormachte. 
Es versteht dieselben nur, wer mit leichter, feinfühliger Hand 
selber den Pinsel zu führen lernte. Sie liegen nicht im Bereich 
eines bloss verstandesmässigen Verstehens, sondern in demjenigen 
des wahrlich nicht minder feinen und vornehmen künstlerischen 
Verstehens, das mit dem Verstand und ungewöhnlich begabten 
Sinnen zugleich arbeitet. Für das Feingefühl, mittelst dessen
	        
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