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und Trefflichste angeboten wird, betrachte man mit Misstrauen.
Ein Maler sollte kein ihm noch unbekanntes neues Pigment an-
wenden, ohne einige Proben davon mindestens mehrere Jahre
lang der Einwirkung von Luft, Licht und Dunkelheit ausgesetzt
zu haben, denn unter deren Einflüssen verändern sich die ver-
schiedenerlei nicht haltbaren Farbstoffe. Doch wird es prak-
tischer sein, diese Versuche sogleich mit fertigen Oelfarben vor-
zunehmen, da sich bei diesen noch mancherlei andere Versuchs-
bedingungen ergeben, und wir ja ohnedies die Farbenpulver
nicht in trocknem Zustande gebrauchen.
fj, Im Uebrigen schaue sich ein jeder seine Leute an, bei
denen er die Farben kauft. Oftmals verräth sich deren eigne
Unechtheit und "Schonung" weit leichter, als diejenige ihrer
Producte und Waaren.
S 20. Anders, als bei der Herstellung der Farbstoffe an
sich, verhält es sich bei der Zubereitung derselben zum Gebrauch
in der Oelmalerei. Hier lernt ein die Malerei Ausübender
Fälle, Bedingungen und Hilfsmittel kennen, von denen ein
Chemiker in seinem Laboratorium keine Ahnung bekommt.
Nur der Maler begreift baldigst, dass von absoluter Haltbarkeit
eines Malmateriales überhaupt keine Rede sein kann, sondern
dass eine jede solche Materialart auch ihre besondere An-
wendungsweise oder Malart und schliesslich malerische An-
schauungsweise des Künstlers verlangt und voraussetzt, wenn
sie sich als dauerhaft bewähren soll. Nur er wird auch unter
der stetigen Uebung der Kunst, d. i. des Könnens, gewahr,
wie so Manches, das nach der wissenschaftlichen Theorie höchst
zerbrechlich sein müsste, durch Praxis künstlerischer Geschick-
lichkeit zu unverhoffter Beständigkeit gelangt. In solchen Fällen
pflegt sich dann manch ein „Mann der Wissenschaft" mit seinen
Hebeln und Schrauben vergeblich um Offenbarung zu ereifern.
Seine Laboratoriums-Weisheit steht hier vor einem Räthsel, wie
schliesslich vor jeder Wirkung des schaffenden Naturgeistes,
den sie ja bekanntlich eben nicht begreift, und es hilft ihr
wenig, vor dem sichtbarlich Vorhandenen und Beharrenden die
_Augen zu schliessen und es leugnen zu wollen, weil demselben
noch kein wissenschaftlicher Erklärer eine Bestätigung seines