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auf den Werken selber in so trefflicher Frische erhalten sind,
recht gründlich zu studiren und hauptsächlich nur sie auf das
Allersorgfältigste anzufertigen, so wäre bei dem jetzigen Stand
und Vermögen der chemischen Wissenschaft vielleicht gar nicht
daran zu zweifeln, dass sie den verloren gegangenen Kunst-
griffen und Geschicklichkeiten ihrer ungelehrten Vorgänger auf
die Spur kommen und diese Pigmente bald in ebensolcher Vor-
züglichkeit darstellen würden, wie jene dies verstanden.
Vorläufig können wir Maler uns bei den Wissenschaftlichen
hinsichtlich der Auswahl unsrer Farbstoffe noch keines Raths
erholen, der uns mehr Sicherheit vor Irrthum und Schaden böte,
als eine Anzahl sehr einfacher, den Meisten von uns bekannter
Erfahrungssätze, die sich seit lange in der Malerpraxis heraus-
gebildet und bewährt haben, oder auch als diesen ähnliche
Erfahrungen, die ein jeder von uns auf dem Weg seiner eignen
Praxis selber sammelt. Dass man auf diese Dinge von jener
Seite her wo man doch von malerischer Praxis und von
den Erfahrungen, die sich auf dem Weg derselben sammeln
lassen, keine Vorstellung haben kann mit mitleidiger Skepsis
herabzuschauen, sie willkürlich, receptmässig, aller wissenschaft-
lichen Methode und Begründung entbehrend zu nennen liebt,
wird keinen Vernünftigen verleiten, dieselben über Bord zu
werfen. Aber auch einige leicht ausführbare Hantierungen sollte
man nicht ganz versäumen, mittelst deren man sich bis zu einem
gewissen Grad über die Reinheit der Farbstoffe versichern, oder
dieselbe steigern und verbessern kann.
Ein Maler, dem es wirklich Ernst ist, hinsichtlich der So-
lidität des Colorites den alten Vorbildern nachzustreben, wird
also vor Allem sich in dem Kreis der Farben zu halten suchen,
die er auch dort angewandt sieht. Und zwar wird er unter
diesen diejenigen lieber meiden, die von der malerischen Er-
fahrung längst als die gefährlicheren bezeichnet werden, wie
Grünspan, Auripigment, Schüttgelb u. s. w. Kann er die best-
bewährten Pigmente vielleicht auch nicht ganz in der gleichen
Güte von den heutigen F arbenlieferanten bekommen, wie sie
jenen Alten zu Gebot standen, so ist doch immer anzunehmen,
dass dieselben auch heute die relativ zuverlässigsten sind.