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4. Agmuyll. Die sogenannte Aquarellmalerei, deren Binde-
mittel aus Gummi und Honig besteht, führt, wenn sie nicht als
eine Abart der Tempera betrieben wird und ihren speciellen
Charakter bewahrt, keine Deckfarben auf ihrer Palette, sondern
lediglich Lasurfarben und bedient sich in' den Lichtern keines
Weisspigmentes, sondern der Helligkeit ihres Malgrundes, des
weissen Papiers, Pergamentes, Nessels u. s. w. Ihre Töne sind
daher sämmtlich von diesem hellen Untergrund 11er durch-
leuchtet und es gelingen ihr vortrefflich zarte Farben durch-
leuchteter Lüfte, sowie anderer lichter und durchsichtiger Stoffe,
bei kräftigerem Auftrag auch prächtigere Intensivfarben. Ihre
Licht- und Schattenmodellirung beruht rein auf dem Princip der
Abschattirung aus dem Hellen in's Dunkle, mit Aussparung der
Lichter und dünnstem Farbenauftrag in denselben, dann all-
mähliger Zunahme der Schichtung des Pigmentes nach den
Schattentiefen zu. Um in den Schattenstellen das Herwirken
des hellen Grundes durch die F arbendecke abzuschwächen, ver-
dunkelt sie hier den Grund mit neutralgrauen Tönen und legt
die Localfarben darüber. Bei solcher Gelegenheit macht sie
auch häufigen Gebrauch von den einander löschenden Farben,
indem sie die Schatten jeder einzelnen Localfarbe besonders
mit der dieselbe zu Grau neutralisirenden Gegenfarbe unterlegt.
Allein ihr Material reicht nicht dazu aus, das Herwirken des
hellen Untergrundes so sehr aufzuheben, dass der Eindruck
kräftig tiefer und klarer Schatten entstehen könnte; sowie es
nehmlich zum Zweck energischerer Deckung des Grundes nur
die Oelfarbenschicht sie bedeckt, empfangen sie es, in seiner Geschwindigkeit
durch das ölige oder harzige Bindemittel ebenso geschwächt, wie die Oel-
pigmente selber. Auch ist thatsächlich keine einzige der sei es nun mit
Harzöl oder mit Spiritusharzfirniss überzogenen Temperatafeln heller, als
helle Oelbilder; es würde dessgleichen keine heller bleiben, wenn man sie
vor dem Firnissen oder, was dasselbe sagt, vor dem Ueberlasiren mit
Harzölfarben um das Eindringen des Oeles und Harzes zu verhüten, mit
Leim- oder Gummiwasser, oder mit Ei überzöge. Denn schon diese Ueber-
züge an sich nähmen den Temperafarben ihr hohes Licht, da sich ja in ihnen
das Licht gleichfalls langsamer fortbewegt, als in der Luft. Ueberziehen doch
zuweilen die Aquarellmaler Schattenfarbenyum sie dunkler zu machen, mit
Gummi arabicum oder dergleichen.