Volltext: Die optischen Besonderheiten der Oelmalerei (Theil 1)

etwas Zucker oder Honig oder mit Gummi arabicumk Auch 
hier werden die Farbenpulver mit NVasser fein verrieben und, 
nachdem sie mit dem Eigelb oder Leim vermengt oder „ge- 
tempert" sind, die verschiedenen daraus angefertigten Mischtöne 
auf ihr Aussehen im Trocknen ausprobirt, dann nass in nass 
aufgetragen und vermalt. Die Schichtung der Pigmente fallt 
in Folge des zwischen die Farbenkörner eingelagerten Binde- 
mittels ein wenig derber aus, als im Fresko. Das Bindemittel 
bereitet dem Lichtstrahl eine Hemmung, die bedeutend genug 
ist, um das Kalkweiss der F reskomalerei für Tempera unbrauch- 
bar zu machen, so dass hier das stärker reflektirende Bleiweiss 
an dessen Stelle tritt. In Folge dieser Verlangsamung des 
Lichtstrahls führen also die Bindemittel eine Verdunkelung des 
Tones auch aller übrigen Pigmente mit sich, Temperamalereien 
haben in den hellen und mittleren Farben niemals ganz das 
helle, frische Licht, wie F reskobilder, sondern erscheinen neben 
denselben stets etwas schwer. Dagegen zeigen die dunklen und 
satten Farben etwas mehr Kraft, als im F resko, doch führt dies 
keine Erweiterung des gesammten Lichtumfanges mit sich, da 
sich die Verdunkelung im gleichen Verhältniss auch auf die 
hellen Töne erstreckt. Grössere Farbensättigung zeigt die 
Tempera aber auch desshalb, weil in ihr viele schöne, brillante 
und durchsichtige Pigmente zur Anwendung kommen, die dem 
Alfresco, weil sie den Kalk nicht vertragen, verwehrt sind. 
Bliebe das Eigelb, oder_ der Leim beim Eintrocknen durch- 
sichtiger und dürfte zugleich den Farben ih dem Maasse zuge- 
mischt werden, dass deren Körnchen durchaus darin eingebettet 
lägen, so liessen sich, indem man den an sich dunklen und 
durchsichtigeren Farbstoffen mehr davon zumischte, als den 
hellen und deckenden, Unterschiede quantitativer Lichtreflexion 
hervorrufen, welche diese Malart weit besser zur Unterscheidung 
von Licht und Schatten befähigen würden, als das Alfresco. 
Allein die besagten Bindemittel verlieren beim Eindorren ihre 
1 Albumen, zu Schaum geschlagenes Eiweiss, mit Wasser vermengt, und 
nach zwölfslündigem Stehen abgefiltert, kommt in der guten alten Tempera- 
malcrei des Cennini niemals als Bindemittel für Farben, sondern nur als 
Vergoldermordent vor.
	        
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