Volltext: Die optischen Besonderheiten der Oelmalerei (Theil 1)

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Wenn aber die Malereien fertig und ausgetrocknet sind, so 
besteht auch nach möglichster Verwerthung jener optischen 
Unterschiede dennoch zwischen den höchsten Lichtern und den 
transparentesten Schatten keine solche Differenz der quantitativen 
Reflexion, dass die Wirkung eine hochplastische sein könnte 
und ein gemeinsamer Schimmer grauen Oberflächenlichts liegt 
noch ausgleichend über allen F arbentönen. Die krystallinische 
Textur des bindenden Kalkhydrates absorbirt dies Oberflächenlicht 
keineswegs, sondern verleiht ihm durch seine kleinen weisslichen 
Spiegelflächen nur ein eigenthümliches, sanftes Leuchten. Wie 
wenig verändernden Einfluss diese Substanz als lichtvermitteln- 
des Medium auf die qualitative LichtreHexion der Farbstoffe 
ausübt, erhellt am besten daraus, dass der kohlensaure Kalk 
im Fresko als Deckweiss verwendbar bleibtä 
3. Tampera- oder a! Setze-Malerei.  Die Bindemittel der 
sogenannten Temperafarben sind mit Wasser oder mit Wasser 
und F eigenmilch verdünntes Eigelbz, oder statt dessen ein aus 
Abfällen von weissem Leder oder Pergament gekochter schwacher 
Leim (colla di ritaglio, colla dolce), bei kleinen Arbeiten für 
einige helle Farben, auch zuweilen bloss der klebrige milchweisse 
Saft unreifer Feigen oder der Lilien und anderer Pflanzen mit 
Diese Erläuterungen zu der Stelle bei Borghini und zu ähnlichen Stellen bei 
andern Kunstschriftstellern verdanke ich einem der bestbewährten unter den 
modernen Freskomaleru, dem erst kürzlich verstorbenen Herrn Franz Plattner 
aus Innsbruck. 
I Derselbe reiiektirt, mit Gummi arabicurn, Teinpera-Leim, oder gar 
mit Oel verrieben, kein YVeiss mehr, sondern erscheint nur noch als bräunlich 
schmutzige Trübung. Vom Wasser wird er so sehr zertheilt, dass er, solange 
er nass ist, auf der Malerei gar nicht bemerkt wird und, in starker Quantität 
mit andern Farben gemischt, dieselben in nassem Zustande ebenso dunkel 
lässt, als wenn er nicht dabei wäre. Erst, wenn das Wasser verdunstet und 
er mit dem Kalkhydrat gebunden ist, reflektirt er wieder Weiss. Die Ver- 
mengung mit Kalkhydrat übt also auf die Lichtreiiexion dieses nicht sehr 
dichten Farbenkörpers keinen merkbaren abschwächenden Einfluss aus und 
wird folglich auch dem lichten Ton der anderen, dichteren Farben wenig 
Eintrag thun. 
2 Der milchweisse Saft, den unreife Feigen, oder auch die dem Stiel 
nächsten Theile reifer Feigen enthalten, hat die Eigenschaft, Eiweiss und Ei- 
gelb, denen er zugerührt wird, sofort iiüssig, wie Wasser, zu machen.
	        
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