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und sich nur wenig von diesem unterscheidende, ebenso weich ver-
schmolzene Halbschatten und Schatten, dem entsprechend sind
auch alle Localfarben sehr schwach und nur eben angedeutet. Dies
haben die Maler mit Geschick auszudrücken gesucht, indem sie
bloss äusserst wenige und sehr gebrochene Localfarben auf dunklem
Papierton in dünner Schichtung aufwischten, so dass der Papier-
ton fast überall durch das nur einen Hauch darstellende Pastell-
pulver hindurchscheint und so die an Zahl sehr beschränkten
und an Werth sehr wenig von einander unterschiedenen Halb-
töne und Schattentöne sich bilden, ohne dass eine Veränderung
der aufgetragenen Localfarbe, oder Verwischung mit einer andren
Pastenfarbe erforderlich wäre. In den Lichtern wird dann der
Auftrag der Localfarbe nur um ein Geringes herzhafter. Auch
findet sich wohl mit Geschmack und Wahl an einer Hauptstelle
der Composition eine etwas lebhaftere, immer aber noch sehr
milde und nie aus dem gesammten Dämmerton herausfallende
Localfarbe eingeführt.
So ist das coloristische Problem meist trefflich und auf
anziehend feine Weise gelöst, nur, dass allerdings auch auf
diesem dünnen Hauch von F arbenpulver noch ein Rest grauen
Oberfiächenlichtes zum Vorschein kommt, der nicht ganz der
Natur der Schattendämmerung entspricht, die hier dargestellt
sein soll. Aber da diese zarten Werke meist auch mit grösster
Delikatesse und Sorgfalt gezeichnet und modellirt sind und so
bei der Bescheidenheit ihrer Färbung fast mehr den Anspruch
farbiger Zeichnungen, als farbiger Malereien erheben, so nimmt
man den geringen Missstand gern mit in den Kauf.
In diesen Bildern ist jedoch, wie man sieht, mit Absicht
und Bewusstsein gerade dem entsagt, was die höchste Kraft
des Materiales ausmachen würde, der grossen Helligkeit nehmlich,
die sich damit in Folge seiner natürlichen starken Reiiexions-
kraft erzielen liesse. Diese Reflexionskraft ist in der Technik
mit Gewalt gemässigt durch den dunklen hervorscheinenden
Papiergrund. Die Maler haben also dies Material, sozusagen, dem
Material zum Trotz gewählt und traktirt, und obschon sie Virtuoses
und sehr Anmuthiges darin geleistet, so war ihr Standpunkt doch
bereits mehr ein künstlicher, als ein natürlich künstlerischer.
Ludwig, Oelmalerei. 5