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handelt, die daraus entspringenden Irrthümer beim Studium der
Natur möglichst zu beschränken, oder sei es, dass, umgekehrt,
diese Gegensatzwirkungen im selbstgeschaffenen Kunstwerk zu
Gunsten der Harmonie, oder aber zur Erhöhung des Effektes
absichtlich hervorgerufen und ausgenützt werden sollen.
In letzterer Beziehung lohnt es sich namentlich, bei den
italienischen Meistern der letzten Jahrzehnte des I5. Jahrhunderts
in die Lehre zu gehen. Es lassen sich aus ihren Werken
geradezu untrügliche, feststehende und hiebei äusserst einfache
Grundregeln für wirkungsvolle und breite Anordnung der F arben-,
sowie des Licht- und Schatteneffektes ausheben, die hier eng
an die Formgebung und deren Absicht angeschlossen bleibt
und sich aus den Verhältnissen der dargestellten Räumlichkeiten
und der Dislocation der Figuren und Gegenstände auf's Natür-
lichste von selbst ergibt. Die Stellen der Composition, an denen
das formell und seelisch Interessanteste des Gegenstandes zum
Ausdruck kommt, ziehen den Blick auch durch das Interessan-
teste der F arben- und Lichtwirkung auf sich. Wer dieses Studium
mit Aufmerksamkeit betreiben will, dem können die höchst ein-
fachen Notizen über Gegensätze des Helldunkels und Colorites
in Lionardds Libro di Pittura trefflich zum Wegweiser dienen.
Um sich aber beim Malen nach der Natur im Sehen und
Abschätzen der F arbentöne nicht baldigst in ein Labyrinth von
Irrthümern verwickelt zu finden, von denen ein jeder einzelne
den folgenden nach sich zieht, ist es rathsam, vor Beginn
der Arbeit aus der Totalerscheinung des Problemes mindestens
ein Paar, besser, einen Dreiklang von Hauptfarben auszuwählen,
deren gegenseitigen Werth durch öfteres rasches Ueberblicken
so lebhaft und so genau, als möglich, dem Auge fühlbar zu
machen und, nachdem man dieses Verhältniss in der Nach-
ahmung genügend wiedergegeben zu haben glaubt, wie an einem
gemeinsamen Maassstab alle andren im Naturvorbild vorkommen-
den F arbentöne, sowie auch die zu deren Nachahmung dienenden
Mischungen daran zu messen.
Noch bessere Dienste wird eine Art von Diopter thun,
das man sich leicht selber aus Cartonpapier herstellt. Das In-
strument habe die Form einer flachen, vierseitigen Pyramide,