erkennen zu müssen glaubte, bei der das Blau um so schöner
ausfiele, je vollkommener das Schwarz und das Weiss seien.
Ob sich Lionardo auch die Farben des Sonnenuntergangs
als Wirkungen der Luftdünste erklärte, geht aus dem bis jetzt
veröffentlichten Theil seiner Manuscripte nicht hervor.
Göthe hat bekanntlich die Farbenerscheinungen der trüben
Medien zur Grundlage seiner unter den Malern noch heute An-
hänger zählenden Farbenlehre gemacht, wonach an Lionardds
Auffassung anklingend Blau die erste Manifestation des die
F insterniss erhellenden, oder aus derselben erstehenden Lichtes
sein soll.
Die wissenschaftliche Erklärung der objektiven Vorgänge
der Medienfarbenbildung und ihrer Aehnlichkeit mit dem Ent-
stehen der Interferenzfarben gibt Brücke, Physiologie der Farben,
5' 10. An Lionardds Erklärung der blauenden Medienfarben
ist jedenfalls richtig, dass diese Farbenempfindung nicht zu
Stande kommt, ohne dass eine Dunkelheit noch durch die
Licht empfangende Medienschicht herwirkt. Die Beleuchtung
braucht hiebei nicht absolut von vorn her zu kommen, sondern
kann auch seitliche sein, oder von jenseits her schräg in die
Medienschicht einfallen, so dass diese durchschienen ist.
Bei den glänzenden und prachtvollen F arbenphänomenen unserer
Atmosphäre sind neben den Wirkungen der trüben Medien
wohl auch noch andere Effekte und Vorgänge der Lichtstrahlung,
wie Spiegelungen und Reflexe, prismatische Strahlenbrechung,
Farbenmischung, mitthätig.
Die Farben trüber Medien und sonderlich die in der
Atmosphäre auftretenden zeichnen sich durch hohe Eleganz,
Reinheit und Leichtigkeit der Erscheinung aus, deren Ausdruck
sich ebensowohl der Glut und Pracht der Sonnenauf- und
Niedergänge, als den duftigen Verschleierungen der Luftper-
spektive zugesellt. Auch bei grösster Lebhaftigkeit haben sie
als Farbentöne stets eine gewisse feine Nichtdefinirbar-
keit. Alle Farben beleuchteter Solidkörper auch die brillan-
testen sind, ihnen gegenüber, mit dem Ausdruck materieller
Schwere behaftet; am stumpfsten, nüchternsten und körper-
lichsten wirken gegen sie die Farben undurchsichtiger Stoffe,
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