an Vielfältigkeit und Herrlichkeit der Probleme und Leistungen
die Schwesterkünste weit in Schatten stellt, verdanktsie der
Flächenhaftigkeit des lVlal- oder Zeichengrundes, an den sie
gebunden ist. Dank dieser hält sie auf ihren Bildern von Solid-
körpern der Wirklichkeit diejenigen perspektivischen Schnitte
der Proportionalität und Gruppirung fest, die ihr unter viel
hundert möglichen als die wohlgefälligsten und charaktervollsten
erscheinen. Ja, handelt es sich um Gegenstände, die von Pro-
portion an sich hässlich oder nichtssagend wären, so ist sie
sogar im Stande, dieselben im Bilde so erscheinen zu lassen,
dass sie sich dem Rhythmus des Ganzen als Theile harmonisch
und bedeutsam einordnen müssen, ohne doch desshalb am eignen
charakteristischen Aussehen Gewalt zu erleiden.
Wir sahen also, wie die Zeichnung, der erste Haupttheil
der Malerei, durch die Eigenart ihres ersten technischen Ve-
hikels, die Bildfläche, beim Studium der Naturformen an eine
bestimmte Weise des Sehens gebunden wird; wie die künst-
lerische Vernunft diese Weise ausfindig machte und so zum
Vortheil und zur Erleichterung der natürlichen Zeichnung aus-
nützte, was für lange Zeit ein Hinderniss derselben gewesen
war; wie sie aber zugleich mit Bewusstsein darauf verzichtete,
in Absicht der Natürlichkeit weiter zu gehen, als die Natur
des Vehikels und das künstliche Auskunftsmittel gestatten.
Dann sahen wir der Zeichnung durch dieselbe Eigenart des
Vehikels ein Feld eröffnet, auf dem sie eine ihr specitisch zu-
gehörige künstlerische Wirkungskraft entfaltet, und ihr
Genius Eindrücke mit Bewusstsein hervorruft, die an Bestimmt-
heit und Reinheit die ähnlichen bloss zufälligen der Natur
als künstlerische übertreffen.