zerstört wird, was Jene mit feiner künstlerischer Berechnung
geschaffen hatten.
Beurtheilen wir also beim Sehen durch den Blendrahmen
die hier in Frage stehenden Verhältnisse der Solidkörper als
fiächenhafte und wiederholen dies ebenso an dem auf der Bild-
flache Dargestellten, so sind wir hiermit nicht im direkten
Widerspruch mit unsrer gewöhnlichen Art "der Urtheilsbildung
über dieselben. Nur geniessen wir, der Bildfläche gegenüber,
eines ausserordentlichen Vortheils. Die auf diese projicirten
Verhältnisse und Figuren der Solidkörper bleiben nehmlich in
ihrem Verhalten untereinander und zum ganzen Umfange des
Rahmeninnern fest und beständig und können dauernd und
folglich weit schärfer in Betracht gezogen und beurtheilt werden,
als die bei jedem unsrer Schritte wechselnden der wirklichen
Solidkörper. Unser Augenmaass, unser Sinn und Ge-
fühl für Grössen- und Richtungsverhältnisse findet
hier bessere Gelegenheit, als irgendwo vor wirklichen
Solidkörpern, geschärft und verfeinert, zu künstleri-
scher Urtheils- und Leistungskraft erzogen zu werden.
Es ist das Gebiet der malerischen Composition, auf dem
wir uns hier befinden. Die Kunst, aus Verhältnissen der
Einzelgliedmaassen Gestalten harmonisch und charaktervoll zu-
sammenzusetzen, aus Gestalten Gruppen und aus diesen ganze
Bilder so zusammenzuordnen, dass Alles im Rahmen wohlver-
theilt und klar, mit Wohlklang von Maas- und Linienrythmen
zum Vorschein kommt; die Körper-, Licht und Schattenmassen
in ihren Verhältnissen zu einander und zum ganzen Flächen-
Yäum des Bildes wohl abzuwägen, Wahl und Einrichtung der
Massen- und Richtungsverhältnisse so zu treffen, dass sie dem
icdesmaligen formalen oder sinnlichen sowohl, als seelischen
Charakter des Bildgegenstandes ausdrucksvoll entsprechen; diesen
gesammten Inhalt endlich in glücklicher Weise in den Rahmen
einzufügen und durch denselben als imposantes, in seiner Eigen-
art wirkungsvoll zusammengehöriges Ganze abzuschliessen, diese
Kunst ist recht eigentlich Domäne der Malerei. Und dass diese
dergestalt dem Sinn für Proportionen und Richtungen ein ge-
radezu unerschöpfliches Feld der Bethätigung eröffnet und hier
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