Volltext: Die optischen Besonderheiten der Oelmalerei (Theil 1)

zerstört wird, was Jene mit feiner künstlerischer Berechnung 
geschaffen hatten. 
Beurtheilen wir also beim Sehen durch den Blendrahmen 
die hier in Frage stehenden Verhältnisse der Solidkörper als 
fiächenhafte und wiederholen dies ebenso an dem auf der Bild- 
flache Dargestellten, so sind wir hiermit nicht im direkten 
Widerspruch mit unsrer gewöhnlichen Art "der Urtheilsbildung 
über dieselben. Nur geniessen wir, der Bildfläche gegenüber, 
eines ausserordentlichen Vortheils. Die auf diese projicirten 
Verhältnisse und Figuren der Solidkörper bleiben nehmlich in 
ihrem Verhalten untereinander und zum ganzen Umfange des 
Rahmeninnern fest und beständig und können dauernd und 
folglich weit schärfer in Betracht gezogen und beurtheilt werden, 
als die bei jedem unsrer Schritte wechselnden der wirklichen 
Solidkörper. Unser Augenmaass, unser Sinn und Ge- 
fühl für Grössen- und Richtungsverhältnisse findet 
hier bessere Gelegenheit, als irgendwo vor wirklichen 
Solidkörpern, geschärft und verfeinert, zu künstleri- 
scher Urtheils- und Leistungskraft erzogen zu werden. 
Es ist das Gebiet der malerischen Composition, auf dem 
wir uns hier befinden. Die Kunst, aus Verhältnissen der 
Einzelgliedmaassen Gestalten harmonisch und charaktervoll zu- 
sammenzusetzen, aus Gestalten Gruppen und aus diesen ganze 
Bilder so zusammenzuordnen, dass Alles im Rahmen wohlver- 
theilt und klar, mit Wohlklang von Maas- und Linienrythmen 
zum Vorschein kommt; die Körper-, Licht und Schattenmassen 
in ihren Verhältnissen zu einander und zum ganzen Flächen- 
Yäum des Bildes wohl abzuwägen, Wahl und Einrichtung der 
Massen- und Richtungsverhältnisse so zu treffen, dass sie dem 
icdesmaligen formalen oder sinnlichen sowohl, als seelischen 
Charakter des Bildgegenstandes ausdrucksvoll entsprechen; diesen 
gesammten Inhalt endlich in glücklicher Weise in den Rahmen 
einzufügen und durch denselben als imposantes, in seiner Eigen- 
art wirkungsvoll zusammengehöriges Ganze abzuschliessen, diese 
Kunst ist recht eigentlich Domäne der Malerei. Und dass diese 
dergestalt dem Sinn für Proportionen und Richtungen ein ge- 
radezu unerschöpfliches Feld der Bethätigung eröffnet und hier 
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