Volltext: Die optischen Besonderheiten der Oelmalerei (Theil 1)

kommene Hilfen aufnehmen. Darnach wird er ebenso lebendigen 
Gebrauch davon machen. Jetzt erst, mit ihrer Hilfe wird er den 
vertieften Raum in allen seinen Verhältnissen genau erkennen 
und ausmessen, aus den perspektivisch verkürzten und ver- 
jüngten Erstreckungsverhältnissen die wirklichen zu entziffern 
lernen. S0 wird also geradezu an der Hand der perspektivischen 
Theorie sein Gefühl für Raumvertiefung und plastische Form 
zu immer präciserem Bewusstsein heranwachsen, er wird nun 
allezeit trachten, sich bei seinen Darstellungen genaue Rechen- 
schaft von der wirklichen plastischen Gestalt der abzuzeichnenden 
Körper zu geben, von der Grösse des Raums, den sie, um frei 
zu stehen, beanspruchen, von ihren Abständen von anderen 
Körpern, von den Verhältnissen ihrer Theile zu ihrer Gesammt- 
masse. lVlit besserer Kenntniss und deutlicher drückt er nun 
bei gegliederten Organismen die zwischen Ganzem und an- 
setzenden Gliedern bestehenden Volumen- und Richtungsverhält- 
nisse aus und Stellung, wie Ausdehnung aller Flächen des Ganzen. 
Schon in einem blossen Umriss, den er zeichnet, wird sich die 
auf die Bildfläche projicirte plastische Form in ihrem NVesen 
kenntlich aussprechen, denn die Figur des Gesammtcontours 
wird aus der einzelnen Glieder und Theile Umrissen entwickelt 
sein, wie diese aus dem Innern der Figur mit perspektivischen 
Ueberschneidungen nach den Rändern hervortreten und an der 
Gestaltung des Gesammtcontours Theil nehmen. So entstanden 
jene durch strenge Richtigkeit und Feinheit überraschenden 
Umrisszeichnungen grosser Meister der italienischen Renaissance, 
die man, weil sie in knappster, einfachster Weise und ohne alles 
Ueberflüssige lediglich die lebensvolle, klarverständliche Vor- 
stellung der Form geben, in unserer Zeit für Erzeugnisse einer 
gewissen Richtungs- oder Ausbildungsart des Schönheitssinnes, 
des sogenannten "Stilgefühls" erklärte. Aber die modernen 
"Stilisten", welche dieser Reinheit und Schärfe nachzustreben 
suchten, indem sie die Natur lediglich auf ihr Schönheitsgefühl 
glaubten wirken lassen zu müssen, verfehlten ihr Ziel; sie sahen 
das Naturvorbild nicht mit perspektivisch geschultem Auge als 
ein auf die Fläche zu projicirendes Körperhaftes an, sondern 
nur auf den Umriss an sich und so sind ihre gezeichneten
	        
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