gemalter Solidkörper nach Kräften überwunden haben. Auf
diesem, wie auf jenem Gebiet, sind es die Spuren derselben
künstlerischen Vernunft, denen wir nachzugehen suchen.
Die Flächenhaftigkeit des Malgrundes und deren Einfluss
auf das zeichnerische Studium der Naturformen, sowie auf
die proportionale Anordnung der Composition.
S I. Das Wunder der Malerei, sagt Linardo, besteht
darin, dass sie auf Unkörperlichem, der Fläche, den Anschein
des vertieften Raumes und in ihm befindlicher Solidkörper er-
weckt, also für des Auges Empündung das Dasein der Mal-
Häche aufhebt. Andern Ortes sagt er, für die Malerei sei die
wirkliche Gestalt der Malfläche, 0b eben oder gewölbt und voller
Vorsprünge und Vertiefungen, gleichgiltig, denn im gemalten
Bilde existire dieselbe nicht mehr und seien an ihre Stelle der
fingirte offene Raum und die dargestellten Körper getreten. Bei
demselben Autor, sowie bei seinem Vorgänger Alberti heisst es
ferner, eine Zeichnung nach der Natur sei zu denken, wie eine
zwischen den natürlichen Gegenständen und dem Auge in be-
stimmtem Abstand senkrecht oder gleichsinnig aufgestellte Glas-
scheibe, auf welcher die von den verschiedenen Punkten der
Gegenstände zum Auge daherkommenden Lichtstrahlen die
Bilder jener Punkte an den Stellen fixirten, wo sie die Flache
der Scheibe durchschnitten. Daher wird in der Perspektivelehre
jener Zeit derjenige Theil der Construktionstafel, auf dem das
fertige Bild zu Stande kommt, die "Veduta" oder die "Aussicht"
genannt und ist gedacht als offener Raum, in den man durch
den umgebenden Rahmen hinaussieht. Malt oder zeichnet ein
Maler etwas aus seines Geistes Erfindung, so soll er den Zeichen-
oder Malgrund, auf dem er dies ausführt, gleichfalls wie eine
Glasscheibe ansehen, durch die er in offenem Raum die zu
zeichnenden oder zu malenden Gegenstände erblickt, deren
Bilder mit Stift oder Pinsel iixirend, wo die von ihnen zu
seinem Auge kommenden Lichtstrahlen den Malgrund durch-
schneiden.