Volltext: Die optischen Besonderheiten der Oelmalerei (Theil 1)

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Diese entweder auf der Palette schon vorgefundenen, oder 
von uns durch Mischung erzeugten Farbentöne (wir reden jetzt 
nur von ganzen und halben Deckfarben) tragen wir, einen jeden 
so, wie er ist, an seiner gehörigen Stelle auf die graue Unter- 
malung auß in der Schattenpartie mit dünnster Schicht be- 
ginnend, nach der Lichtstelle zu die Schicht immer mehr er- 
höhend. Das Grau der Unterlage wird durch die dünn geschichtete 
Schattenstelle verdunkelnd, aber ohne die Localfarbe in ihrer 
Art umzumischen, herscheinen. In dem lVlaasse, als die local- 
farbige Schicht an Dicke zunimmt, werden ihre an Menge 
wachsenden und immer dichter gelagerten Opakkörperchen die 
dunkle Unterlage mehr und mehr verhüllen und selber grössere 
Lichtmenge reflectiren. Ganz von selbst, und ohne dass ihr 
etwas Andres zugesetzt zu werden braucht, als nach der Licht- 
stelle zu höchstens etwas neutrales Weiss, entsteht also in ihr die 
verschmolzenste und harmonischste, wiewohl an Uebergängen 
so leicht nicht ausgehen können. (Vergl. S 23, Seite 123 Bemerkung) Liest 
man in alten Malerbüchern Ausdrücke, wie "Carnation oder Fleischfarbe, 
Baumfarbe" oder dergL, so hat man dieselben natürlich nicht dahin zu ver- 
stehen, als hätten die Autoren eine gewisse ständige Farbe für lileischpartieen, 
Baumgriin u. s. w. bezeichnen wollen. Aus den vorkommenden Beschrei- 
bungen erhellt vielmehr, dass sie nicht allein sehr von einander verschiedene 
Typen menschlicher Hautfarbe u. s. w. im Sinne hatten, sondern nach Ge- 
legenheit überhaupt jede nur denkbare Nüancirung, die bei Individuen vor- 
kommen kann. Nicht bloss bei Schriftstellern, wie Cenno Cennini und 
Lomazzo, finden sich diverse Mischungen für allerlei Arten von Hautfarbe 
angegeben, sondern auch in den Notizen eines nicht Geringeren, als des 
Lionardo da Vinci, Und zwar gelten sie hier ganz augenscheinlich speciellen 
Fällen der Darstellung, die der Meister zur Zeit der Niederschrift gerade 
in Arbeit hatte. (Vergl. z. B. die dem Codex Atlanticus entnommene Angabe 
der Farben für eine Carnationsrnischung bei  P. Richter, Libro di Pittura 
Nr. 6r9.-Deutsch: H. Ludwig, L. d. Vinci, Buch von der Malerei, Neues 
Material, Nr. 628). Auch Nachmischnng aller Art von "Laubfarbe" kommt 
in Lionardo's Anweisungen vor. Siehe z. B. Libro di Pittura. Quellen- 
schriften-Ausgabe, Nr. 925. Hier räth der Meister, ein Blatt des abzurna- 
lenden Baumes zu nehmen und mit der genau hienach gemischten „Laub- 
farbe" den ganzen Baum zu malen. In Nr. 920 (924) ist der Rath eriheilt, 
Baumgrün mit Schwarz zu unterlegen. Hierauf sollte dann also mit der 
Laubfarbe lichthöhend verfahren werden. Nach dem Vorgang solcher Au- 
toren werden wir uns ähnlicher Ausdrücke ebenso bedienen.
	        
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