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selten schon bei erster Anlage seiner Bilder bis zur Verfolgung
des allerfeinsten Details geführt, so dass er dasselbe dann beim
Weitermalen fast nicht weiter berührte.
Sinkt die Kunst bei Individuen oder ganzen Generationen
von einer erreichten Höhe herab und tritt nun an die Stelle
eines sorgfältigen Naturgefühles und F leisses schnellfertige Bra-
vour und Manier, so giebt sich dies natürlich vor Allem auch
in der Eile und Unordnung der ersten Aufzeichnung kund.
Dann wird hier die Form nicht mehr bescheidentlich und getreu
mit wohlüberlegten Umrisslinien aufgesucht, sondern es erscheint
dieses wie Pedanterie und Zeitverlust. Die Formen werden in
der Vorzeichnung nur flüchtig angedeutet mit flotten, oft recht
sehr in's Blaue hinein geführten Zügen und an gar mancher
Stelle der Figur bleibt es vorläufig zweifelhaft, welche von diesen
in Hast mehrmals wiederholten Versuchslinien denn eigentlich
den am rechten Fleck sitzenden Umriss vorstellen solle. Jener
feine Begriff des körperlosen Contours kam abhanden, aber
selbstbewusste Manier spricht ihr vermeintliches Können in
renommistischen Gefühlsdruckern aus. Mit grober, schwarzer
Schraffirung sieht man hie und da Schatten angedeutet, aber
nur so, um das Auge zu beschäftigen und aufs Geradewohl
hin; denn wie könnten denn da Schatten am richtigen Ort
sitzen, wo die Form, die sie trägt, selber noch keinen sicheren
und richtigen Abschluss hat?
Derartige Aufzeichnungen sind Wenig geeignet, dem Auge
und der Oelfarbenteclinik zu gedeihlicher Weiterführung der
Arbeit Dienste zu leisten und man hüte sich, sie zum Muster
zu nehmen, oder die in ihnen sich ausprägende Eile und Un-
geduld mit Meisterschaft und Genialität zu verwechseln. Es
Wird nicht nur die geringe Zeit verloren sein, die man ihrer
hastigen Anfertigung gönnte, sondern später wird man deren
noch weit mehr verlieren. Denn, wenn nun das Malen mit
Farbe beginnt und das Colorit anfängt, einen Theil der Auf-
merksamkeit in Anspruch zu nehmen, so wird man sehr un-
gelegener Weise genöthigt sein, jetzt, mit Hilfe der Färbung
die Verfehltlieit der Vorzeichnung zu corrigiren. Um aber deren
grobe Striche und zur Sache nicht gehörige, sinnlose Flecken