Volltext: Die optischen Besonderheiten der Oelmalerei (Theil 1)

104 
Alle die Entwickelungsstadien, Irrungen und Verbesserungen, 
die bei diesen Dingen eintreten können, brauchen so nicht auf 
dem Malgrund selber durchgemacht und vorgenommen zu werden, 
und dessen Reinheit bleibt unverletzt. Erst, wenn man glaubt, 
in der Vorarbeit Alles recht an seinen Platz gestellt und alle 
groben Zeichenfehler und Unbestimmtheiten beseitigt zu haben, 
pausst man die Contoure des Cartons auf das Sauberste auf den 
Malgrund über. Nur das zierliche kleine Detail, das während 
der ersten Stadien des Malens noch nicht in Betracht kommen 
kann, wird hier noch fortgelassen. 
Dass ein solches vorsichtiges, vorbereitendes Verfahren die 
Lebendigkeit und Frische echten künstlerischen Geistes und 
seiner Intentionen nicht abstumpft, wie Manche meinen, wird 
genügend durch die Werke der altfiamischen, -deutschen und 
Jtalienischen Meister dargethan, von denen ganz feststeht, dass 
sie sich auch bei Oelmalerei stets des Cartons bedient haben. 
Für die Brüder van Eyck und ihre berühmten altniederländi- 
sehen Nachfolger bezeugt dies ausdrücklich Carel van Mander, 
indem er hinzufügt, es gäbe von diesen erste Aufzeichnungen 
auf weisse Malgründe, die bereits eine vollendeter-e und feinere 
Ausführung zeigten, als fertig gemalte Bilder seiner eignen Zeit- 
genossenl. Auch in den um die Mitte des 16. Jahrhunderts 
geschriebenen Malerbüchern des Lomazzo, Biondi, Borghini, 
Armenini und Vasari beginnen die Anweisungen zur Oelmalerei 
regelmässig mit der Uebertragung des Cartons auf die äusserst 
rein zu haltende Mali-lache, und von Lionardo da Vinci, dem es 
doch beim Durchführen seiner Werke wahrlich nicht an Frische 
und Lebhaftigkeit gebrach, besitzen wir auf der ersten Seite des 
Codex A seiner in Paris aufbewahrten Schriften eine eigenhändige 
Notiz, der zufolge das Erste, was der Maler nach sorgfältiger 
Herstellung und Reinigung des Oelfarbengrundes der Maltafel 
vornimmt, im Durchpaussen des Cartons besteht. Endlich aber 
sind ja in der That gar manche Cartons, auch zu einfacheren, 
wenig umfangreichen Oelbildern der grössten Meister jener Zeit 
zum Zeugniss des Gesagten erhalten geblieben. 
I Carel van Mander schrieb zu Ende des 16. und zu Anfang des 
I7. Jahrhunderts. 
	        
Waiting...

Nutzerhinweis

Sehr geehrte Benutzerin, sehr geehrter Benutzer,

aufgrund der aktuellen Entwicklungen in der Webtechnologie, die im Goobi viewer verwendet wird, unterstützt die Software den von Ihnen verwendeten Browser nicht mehr.

Bitte benutzen Sie einen der folgenden Browser, um diese Seite korrekt darstellen zu können.

Vielen Dank für Ihr Verständnis.