Volltext: Die optischen Besonderheiten der Oelmalerei (Theil 1)

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Schatten versehen. Aber es geschah dies nach einem stets 
dasselbe bleibenden conventionellen Schema. Eine beschränkte 
Zahl nicht etwa dem Naturvorbild nachgeahmter, sondern nach 
einem handlichen Mischungsrecept angefertigter und genau aus- 
probirter Licht-, Halblicht-, Halbschatten- und Vollschattentöne 
ward, der allgemeinen Rundform der Figuren folgend, neben- 
einander gesetzt und ineinander vermaltf S0, wie die Byzantiner 
von der Antike, die Italiener des Mittelalters von den Byzan- 
tinern es gelernt hatten, Cimabue dem Giotto und dieser seiner 
Schule es weiterlehrte, wie das Malerbuch vom Berge Athos 
und ebenso um das Jahr 1430 Cenno Cennini es ausführlich 
beschreibt, ward das Geben von Lichtern und Schatten und 
die Mischung der betreffenden conventionellen F arbentöne auch 
noch von Masaccio, Melozzo da Forli, Signorelli, Fra Beato 
Angelico, Benozzo Gozzoli, Lippi und allen den herrlichen 
Meistern italienischer Fresko- und Temperamalerei naiver und 
im Wesentlichen unveränderter Weise bis gegen Ende des 
I5.]ahrhunderts hin betriebenI. Erst die "flandrische Disciplin" 
van Eyck's, "Pimitazione al niaturale", oder kurzweg „il naturale", 
d. h. "die Nachahmung nach der Natur", oder „die natürliche 
llrlanier," wie der überraschte Süden diese neue Oelmalerei 
nannte, brachte, die alte conventionelle Manier glanzvoll über- 
treffend, Natürlichkeit in die Licht- und Schattengebung der 
Malerei; und nachdem ein lebendiges Interesse für dieselbe 
Wurzel geschlagen, schrieb Lionardo seine auf malerischer und 
physikalischer Beobachtung aufgebaute Theorie „V0n Schatten 
und Licht" und [gab damit dem malerischen Clair-obscur die 
Grundlage fester Gesetze und bewusstvolle Freiheit der Bewegung 
zugleich. 
Ihre Schranke findet die Natürlichkeit der Nachahmung 
wirklicher Beleuchtungseffekte auch in der Oelmalerei in den 
gegebenen mässigen Beleuchtungsbedingungen der geschmückten 
Räume und in der Flächenhaftigkeit der Bildtafel. Die Leucht- 
1 Unter die wenigen Ausnahmen, die nachweisbar sein möchten, gehört 
Masaccicfs Versuch eines veränderten Beleuchtungsproblems in Del Carmine 
Zu Florenz. Allein diese Beleuchtung der Figuren von rückwärts mit um- 
schreibenden Randlichtern ist der Randerscheinung wenig günstig.
	        
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