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Fünfzehnter Abschnitt.
Die
Landschaftsmalerei.
sunken sind; sein Licht streitet mit dem der Sonne und scheint
ihn als den König der Natur zu verkündigen. Allein bald wird
auch er mit einem bleichen Schleier bedeckt, sein Glanz ver-
schwindet, sein Anblick bietet nur noch das Bild der Zerstörung
und des Todes. Der Zuschauer wird ernst gestimmt, gerät in
eine Art von Schwermut, und denkt an die Nichtigkeit so vieler
prächtigen Scenen, die in der Welt auch nur einen Augenblick
glänzen.
Aber lafst uns weiter gehen und die übrigen Gemälde be-
trachten. Welch eine ungeheure Masse von Gebirgen, die amphi-
theatralisch über einander gestellt sind! Von weitem gesehen
und nach ihrer bläulichen Farbe, sollte man sie für die WVogen
eines stürmischen Meeres halten, dessen riesige Wellen sich bis
zum Himmel auftürmen.
Sobald man aber ihnen naher kommt, verändert sich der
Anblick: das Gemälde rollt sich auf; jedes dieser Gebirge bietet
uns einen verschiedenen Anblick. Einige derselben, grün und
leicht zugänglich, tragen auf ihren abgerundeten Seiten reiche
Wiesen und zahlreiche Herden, und unter grünen Wölhungen
von dicklaubigen und sammetartigen Bäumen benetzen abwärts
ilicfsende Bäche die Thäler und laden den Reisenden ein, da-
selbst Schatten und Ruhe zu suchen. Etwas höher, an dem
Abhange des Hügels, umgeben und beschatten anmutige Grup-
pen von Bäumen, in ungleichen Entfernungen zerstreut, die land-
lichen Dächer einiger bescheidenen Sennhütten und weit über
diesen krönen grofse Wälder düsterer Tannen die höchsten Spitzen
der Gebirge.
Weiter! Betrachten wir (las folgende Gemälde: eine
andere Art der Natur, die auch ihre Schönheiten hat, stellt sich
unseren Blicken dar; es sind dies die hohen und schroffen Felsen,
deren zersplitterte Seiten nichts als Abgründe und Tiefen bieten.
1) S0 nennt man in dem Lande die langen, ganz hölzernen Schuppen, in
welchen die verschiedenen Käse bereitet werden, und worin die Menschen, die
ihn bereiten, und das Vieh, welches die Milch giebt, Schutz ünden. Wenn
die üble Jahreszeit sich nähert, so verläfst man die Sennhütten und steigt in
die Ebene.