Volltext: P. L. Bouviers Handbuch der Ölmalerei für Künstler und Kunstfreunde

Schilderungen der Schweiz. 
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Hier ist man nur wegen der Wahl in Verlegenheit; alle An- 
sichten haben ihre Art von Schönheit, bald sind sie lachend, bald 
erhaben und ernsthaft. Hier findet 1na11 Wechselnd in viel gröfse- 
ren Massen die Gebirge Italiens und die frischen Gefilde von Eng- 
land und Schottland. Ein üppiges Grün bekleidet den Fufs der 
Hügel; majestätische Baume beschatten sie und lassen bald da, 
bald dort anmutige Hütten, reiche Dörfer und ihre glänzenden 
und silbernen Kirchspitzen  hindurchblicken. Tausend aroma- 
tische Pflanzen nähren zahlreiche Herden, den Hauptreichtum der 
glücklichi-n Einwohner der Schweiz. Diese, allgemein stark, arbeit- 
sam und tapfer, unterscheiden sich in jedem Kanton durch ihre 
eigentümliche, oft zierliche, immer malerische Tracht. 
Ordnung, Ruhe und Friede herrschen überall, die Luft, die 
man einatmet, ist balsamisch und zugleich so rein, dafs die Gegen- 
stände mit tausend mannigfaltigeren und glänzenderen Tönen 
mehr als anderswo gefarbt sind. Man mufs den harmonischen 
und schillernden Schein, welchen die untergehende Sonne auf den 
fernen Alpen hervorbringt, sehen, während über ihnen und sogar 
über der Region der Wolken, ungeheure Gipfel von Granit, von 
unersteiglicher Höhe, sich gen Himmel erheben, zu welchem sie 
oft durch lange weifsliche und horizontale Wolken hinaufgehoben 
und von der Erde getrennt zu sein scheinen, und die, indem sie 
einen Theil ihres Fufses bedecken, blofs ihre höchsten mit Schnee 
und ewigem Eis gekrönten Gipfel sehen lassen, die glühend den 
letzten Schein der Sonne zurückstrahlen. 
Nichts ist mit dem imposanten Schauspiel zu vergleichen, 
das in solchem Augenblick die höchsten Berge darbieten, zumal 
der Mont-Blaue, der Riese von Europa 2); er ganz allein strahlt 
mitten unter den hohen Gebirgen, die ihn umgeben, wenn diese 
schon seit einer Viertelstunde in kalte und graue Schatten ver- 
1) Die Glockentürme in der Schweiz sind mit weifsem Blech gedeckt, 
daher sie von weitem wie Silber zu glänzen scheinen. 
2) Der Mont-Blaue, der höchste Berg in Europa, liegt in Savoyen 12 bis 
15 Stunden von Genf, von wo aus er so nahe scheint, als wäre er nur einige 
Stunden entfernt. Nach dem Mont-Blaue sind die Jungfrau und der Gemmi 
im Kanton Bern die höchsten Gebirge. Indessen sagt man, dal's der Mont- 
Rosa. und der Pic du midi unmittelbar auf den Mont-Blaue folgen.
	        
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