Volltext: P. L. Bouviers Handbuch der Ölmalerei für Künstler und Kunstfreunde

Stoffe. 
Charakterisierung der verschiedenen 
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in Üngewifsheit lassen. Und dies wesentlich, weil ein jeder dieser 
Stoffe eine ganz eigentümliche Art von Falten bildet und eine 
mattere oder glanzendere Oberfläche hat, so dafs wir ihn in einer 
ziemlich grofsen Entfernung in der Natur erkennen, trotzdem wir 
viel zu weit von ihm entfernt sind, um sein Gewebe anfühlen oder 
auch nur sehen zu können. 
Die aufsere Erscheinung, d. h. die Gestaltung der Falten und 
das mehr oder Weniger matte, das mehr oder weniger glatte und 
glänzende Aussehen also ist es, was der Maler nachahmen mufs, 
um den Charakter irgend eines Stoffes, seiner Starke und seiner 
Substanz wahr erscheinen zu lassen. Nur hierdurch charakterisiert 
man die verschiedenen Grade der Feinheit und Starke, welche die 
Stoffe in der Natur haben, sie mögen von Wolle, Seide, Leinwand 
oder einer anderen Substanz sein. Alles dies kann man ohne 
Hülfe der Farbe nachahmen, blofs mit dem Zeichenstift oder mit 
dem Grabstichel, weil das für den Stoff charakteristische wesent- 
lich inder Form liegt, wie dies jeder guteuKupferstich, jede gute 
Zeichnung darthut. Man mufs also schlechterdings nach der 
Natur selbst die Eigentümlichkeiten, den Charakter der Falten 
dieser verschiedenen Stoffe studieren. Einige erscheinen weich 
und rundlich, andere eckig und scharf, geschnitten, noch andere 
weich, biegsam und immer in grofser Menge beisammen wie 
bei dem Musselin und überhaupt allen feinen Linnen etc. 
An aller Nachahmung hat aber die Farbe auch einen wesent- 
lichen Anteil. Der Atlas z. 13., besonders der weifse, zeigt ein 
solches Spiel von Farben, dafs er so zu sagen fast zu einem 
Spiegel wird, in welchem alle Töne der umliegenden Gegenstände 
reflektieren. Alle seidenen Stoffe thun etwas ähnliches, Sammet 
und einige matte Arten, wie Gros de Tours etc. ausgenommen. An- 
dererseits ist zwischen Atlas und Tatfet oder anderen leichten seide- 
nen Zeugen auch der grofse Unterschied, dal's die Falten von den 
letzteren dünner und in gröfserer Menge beisammen sind, als bei 
den starken seidenen Zeugen und bei dem Atlas. Letzterer zu- 
mal macht herunterhangend, grofse ziemlich runde Falten, welche, 
wenn sie nicht bald hier, bald da, einige Augen und kleine 
Brüche hätten, den Orgelpfeifen ähnlich erscheinen könnten, 
ein so metallisches Ansehen haben sie durch ihre Lichter und
	        
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