Der angehende Künstler und der Dilettant (lurten aber nicht
denken, dafs es eine und dieselbe Art der Pinselführung und Far-
benbehandlung sei, die sich bei jedem vortrefflichen Werk vor-
linde. Im Gegenteil, so viel Meister, so viel verschiedene Arten.
Wenn man Raf a e ls Portraits an das eine Ende und vielleicht F ranz
Hals an das andere stellt (dort Pinselführung und Behandlung als
solche nur dem geübten Auge erkennbar, hier die pikanteste,
scharf accentuirte Lebendigkeit der Darstellung), so giebt es zwi-
schen zwei solchen Endpunkten eine unendlich grose Reihe der
verschiedenartigsten Erscheinungen dieser Technik, und überall
bei ganz vortrefflichen Meisterwerken.
Zum Schlufs dieses Abschnitts noch folgende Bemerkung:
Ein kleines Staffeleigemälde, das nahebei gesehen wird, darf nicht
ebenso behandelt sein wie ein grofses Gemälde. Die Art und die
gröfsere oder geringereDelikatesse der Behandlung mufs, je nach der
Gröfse des Gegenstandes, der Entfernung angemessen sein, aus
Welcher das Gemälde betrachtet werden wird. Wie unverständig
-Würde es sein, ein Gemälde von 50 cm. ebenso zu behandeln,
wie ein anderes von oder 6 Meter. Das erste mufs zart,
das zweite breit behandelt werden, sonst würde jenes eine
rauhe und sehr unangenehme Wirkung für das Auge haben,
das demselben sehr nahe kommen wird, und dieses würde seine
Kraft und Wirkung verlieren, weil es nur aus einer gehöri-
gen Entfernung beurteilt werden kann. Die Entfernung, aus
Welcher der Zuschauer ein Gemälde gut sehen und beurteilen kann,
mufs zweimal so grofs sein, als die Diagonale des Bildes. Nach
dieser Regel können die Maler den Grad der Ausführung oder
Vollendung der Behandlung in ihren Gemälden bestimmen, um die
Wirkung zu erreichen, die sie wünschen. Auch soll der Maler be-
achten, wie hoch sein Gemälde aufgestellt werden wird, und seinen
Augenpunkt passend und der Art wählen, dafs alle Gegenstände
so erscheinen, wie sie sein sollen, so dafs die Perspektive darin
angenehm und natürlich erscheint.