Volltext: P. L. Bouviers Handbuch der Ölmalerei für Künstler und Kunstfreunde

müssen elastisch beweglich, nicht steif angespannt sein. 
Dies ist ganz besonders da notwendig , wenigstens sehr 
wünschenswert, wo eine gewisse fliefsende oder bewegliche Form 
(Haare, Wasser) oder der bewegliche Glanz des Lichtes uns vor 
Augen gebracht werden soll. Ein einziger dreister, kräftiger, 
breiter oder feiner Zug des Pinsels vermag da die Form und 
Natur des darzustellenden Gegenstandes lebendig zu charakterisieren. 
Und wenn er kühn, mit kundiger Hand im rechten Ton an die 
richtige Stelle gesetzt ist, so hat er etwas ungemein geistreich, 
elegant reizvolles, wie alles, was wie im Fluge das Richtige trifft. Wo- 
gegen ein Pinselstrich, der wiederholt und geleckt ist, aufhört ein 
einziger Pinselstrich zu sein; er hat dann verloren, was das Wesen, 
den Verdienst und den natürlichen Ausdruck eines einzigen geist- 
reiclien, kühnen und kundigen Pinselstriches ausmacht. 
Wenn man mit schwebender Hand eine Verzierung oder Ini- 
tiale entwirft, so hat die Arbeit bei allen ihren Unvollkommen- 
heiten mehr Eleganz, als (liejenige, welche man ängstlich und be- 
(laclitig mit aller Aufmerksamkeit und möglichster Symmetrie ge- 
zeichnet hat. So verhalt es sich auch mit einem dreisten Pinsel- 
strich. Ob mit dem Pinsel, mit dem Stift oder mit der Feder 
gemacht, er hat immer etwas unerklärlich anziehendes und geist- 
reiches, woraus das Talent und die Absicht des Künstlers um so 
mehr herausleuchten, je weniger Zaudern und Zaghaftigkeit darin 
sichtbar ist; es scheint, als wenn das Gefühl des Künstlers wie 
ein elektrischer Strom unmittelbar in seine Hand übergegangen 
wäre. Wenn er zagt, wenn er anhält in der Hoffnung, es 
besser zu machen, so stockt jener Strom,  es wird nicht so 
gut gelingen. 
Daher haben Skizzen eines talentvollen Künstlers, obgleich 
sie in bezug auf Richtigkeit und Durchführung weit hinter voll- 
endet ausgeführten Bildern zurückstellen, für den Kenner einen 
so grofsen Reiz und Wert, vor solchen Bildern, wenn in diesen 
die Mühe der Arbeit die Wärme der Empfindung beeinträchtigt 
hat. Jene versetzen uns mitten in die Empfindung des schaf- 
fenden Künstlers, wir werden dadurch "angezogen und erwärmt. 
Mit wenig Worten ist viel gesagt. 
	        
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