der Form und Farbe.
von Mängeln und Fehlern
Nachbildung
243
Leberflecke u. dgl_ m. zu sehr hervortreten lafst. Er soll beach-
ten, dal's alle diese Dinge in der scharfen Beleuchtung des Ateliers,
die für die Formenwiedergabe so vorteilhaft ist, auch viel
scharfer hervortreten, weit mehr bemerkbar sind, als sonst im
Leben. Aufserdem sieht der Maler das alles so viel scharfer an,
richtet so viel ausschließlicher seine Aufmerksamkeit darauf, als
dies sonst geschieht, dal's der Anfänger immer die Neigung hat,
diese Dinge zu übertreiben und, weil er ihnen eine gröfsere Be-
deutung beilegt als sie haben, sie so scharf, hart und trocken
nachzuahmen als möglich.
Es ist (lurchaus nicht nötig und soll keineswegs angeraten
werden, etwas fortzulassen, was die Natur doch hat und was bei
ihr zu sehen ist. Das soll alles gemacht werden, aber nur wie es
in der Entfernung von ein paar Schritten, wo man den Kopf mit
einem Blick vollständig übersehen kann, erscheint. Bei der Aus-
führung aber soll immer genau die Kraft der Modellierung und
Schatten, die Stärke der dunklen Färbung solcher Stellen mit den
übrigen Schattenmassen, Modellierungen und barbenvvirkungen ver-
glichen werden, in denen sich der Charakter der Form ausspricht.
So wenig jemandem in seinem Portrait geschmeichelt werden soll,
so wird es doch nur gerecht und der Wahrheit- gemafs sein, die
Ähnlichkeit nicht durch die Nachahmung der Mangel und Fehler,
sondern der charakteristischen Formen herzustellen. Dein ange-
henden Portraitmaler ist also ganz besonders anzuraten, was über
diesen Punkt bereits früher gesagt ist, im Gedächtnis zu be-
halten.
Dieäelbe Miifsigung
Schönheiten der Natur
in der Nachbildung von Mängeln und
ist dem Portraitlnaler erlaubt und zu
pfehlen, wenn bei mageren Personen die beiden grofsen Halsmils-
keln (Sternoeleidomastoideen) oder die Sohlüssolbeine beim Atmen
sehr stark hervortreten, oder wenn eine übermafsige Fülle alle
Form unerkennbar gemacht hat. Jeder Anfanger mag sich nur
immer wiederholen, dafs er die Neigung hat solche Harten und
Mängeln zu übertreiben. Auch Fehlern der Figur z. B. schiefen
Schultern u. dgl. m. gegenüber mag er sich ebenso verhalten.
Niemals aber soll und darf man sich bei diesem Bestreben von
der Art der Natur so weit entfernen, dal's in dem Bilde alle diese
16'"