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Zwölfter Abschnitt.
DieÜ bermalung.
richtige Stellung des Ohres oder vielmehr der unmittelbar hinter
dem Ohr liegenden Erhöhung, des Felsenbeins und der Halsgrube
zu einander zu achten. Diese beiden Punkte durch den grofsen
Kopfnicker (musculus sternocleidomastoideus) verbunden, der sich
unten mit einem Kopf an das Brustbein ansetzt und dadurch die
Halsgrube bildet, (mit dem andern Kopf an das Schlüsselbein) stehen
je nach Bewegung und Ansicht anders zu einander. Dies mufs ge-
nau und aufmerksam beobachtet werden und, man mag nun den
Muskel selbst mehr oder weniger oder fast gar nicht sehen, immer
mufs er in leicht fliefsender Linie von dem einen der angegebenen
Punkte zum andern wenigstens möglich und zu ziehen sein.
Gegen den abgetönten Hals tritt dann wieder die Brust-
flache, der Busen, ordentlich vor und ist deshalb überall mit
hellen Lichttönen zu malen. Mit den reinsten, frischesten und
hellsten Lichttönen zumal bei einem schönen Weiblichen Busen.
Auch alle für die Modellierung hierbei notwendigen Halbtöne sind
ebenso frisch, rein und kaum bemerkbar, in Farbe und Dunkel-
heit wenig von den Lichttönen zu unterscheiden, in welche sie
sich ganz unmerklich verlieren müssen. Diese, wie alle grofsen
Partieen des Körpers, zunächst also Schultern und Arme, sind frei
zu behandeln und mit einem genügend grofsen elastischen Pinsel
stark zu impastieren. Auf der dick aufgetragenen Farbe ruht
dann das Licht und hebt diese Partieen besonders hervor. Wenn
ein Akt, d. h. eine nackte oder fast nackte Figur gemalt wird,
mufs die Beobachtung und Anwendung dieser Vorschrift in man-
nigfaltigster Weise zur Geltung kommen.
In der genauen Nachbildung der Form aller wesentlichen
Partieen und Dinge kann man nicht genug thun und die sorgfal-
tigste Ausführung und Vollendung in dieser Beziehung wird stets
ein Zeugnis für die künstlerische Empündungsweise des Malers sein.
Aber vor einer zu grofsen und deshalb kleinlichen, trocknen
Nachbildung aller unbedeutenden Einzelheiten und
Zufälligkeiten der Form mufs der Anfänger um so mehr ge-
warnt werden, weil vielfach Nichtkünstler ein so grofses Gewicht
falschlicher Weise darauf legen. Alle diese kleinen Fehler und
Mängel der Haut, wie Falten, Runzeln, Narben u. dgl m. sollen
durchaus nicht fortgelassen, sondern nur richtig und so gemacht