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Zwölfter Abschnitt.
Die Übermalung.
Schatten eines dunkeln Haars z. B. und zwar je nachdem es
schwarzlicher oder bräunlicher ist, wird man durch einen ganz
dünnen Farbenauftrag von Beinschwarz oder Elfenbeinschwarz mit
(mehr oder weniger) gebrannter Terra di Siena, etwas gebrannten
Lack genügend dunkel und kräftig herstellen können. Wo dadurch
die Kraft und Dunkelheit der Natur nicht erreicht wird, verstärkt
man natürlicher Weise den Auftrag der Farbe. Bei helleren L0-
kalfarben des Haare wird man von vorn herein zu den genannten
Farben (mehr oder weniger) dunklen Ocker, Mittelocker oder selbst
lichten Ocker hinzunehmen müssen. Immer ist der Ton der Natur das
Mafsgebende, aber man soll im Anfang doch stets den transparente-
sten, tiefsten und wärmsten Ton derselben nachahmen und eher et-
was übertreiben. Die Gründe hierfür sind schon früher angegeben.
Jedoch darf dies niemals so weit gehen, dal's die Malerei hierdurch
ein körperloses und glasernes Aussehen bekommt. Dasselbe gilt
auch von den Schattentönen des Fleisches, immer so natürlich und
wahr von Anfang an, als man vermag, aber mit Berücksichtigung
dieser Vorschrift. Es wird später in dieselben doch noch hinein-
gemalt, dies ist nur der Beginn, die Vorbereitung für die
eigentliche Vollendung der Arbeit, das darf bei diesen Vorschriften
nicht vergessen werden. Eben so auch, dafs hierbei wie bei der
a la prima Malerei ratsam ist, zu den schwer trocknenden Farben
vorläufig keinen Trockeniirnis zuzunehmen, damit diese Anlagen
langer nafs bleiben.
Wenn nun in der Untermalung durch eine zu schwache An-
gabe der Halb- und Übergangstöne in wirklich störender Weise
die Formen anders erscheinen, als in der Natur, so thut man
gut, durch ein vorläufiges Übergeben auch dieser Partieen mit
richtigeren Tönen die Gesamtwirkung der Untermalung vorerst
wieder dem Eindruck der Natur näher zu bringen.
"Die wirkliche Malerei beginnt man mit dem Licht. Die
Töne des Lichts, die reinen Lokaltöne, sind am deutlichsten
zu erkennen und zu bestimmen und sie sind mafsgebend für
alles Übrige. Man verfährt dabei ganz eben so, wie bei der Unter-
malung, nur dal's man die Farben, wie schon bemerkt ist, dünner
aufträgt. Zuerst also den Lokalton der Stelle, an der man ar-
beiten will (zunachst der Stirn), nicht das hellste Licht, welches