Formen, bereits künstlerisch, d. h. mitlAuswahl dem Leben nach-
und durchgebildetjn einfachster und schönster Erscheinung kennen
Zu lernen und seinem Gedächtnis einzupragen. Bei den Studien
nach der Natur mit ihrem Reiz der mannigfaltigsten und indivi-
duellsten Charakteristik wird ihm das ein Wegweiser sein, um auch
darin die Schönheit zu finden, die mit der Wahrheit zusammen das
Wesen der Kunst ausmacht. Ebenso lernen die Jünger der Wissen-
schaft die Eigentümlichkeit und Schönheit einer fremden Sprache aus
den Meisterwerken dieser Sprache und dies sehr oft in einem
Lebensalter, WO sie den vollen Wert der Werke zu würdigen noch
nicht im Stande sind. Dann mufs auch nach dem Leben selbst ge-
zeichnet wcrden. Zunächst Köpfe und dabei ist den Anfängern
zu raten, wenigstens für die ersten Studien männliche Modelle im
vollen Mannesalter zu wählen. Da sind die Formen fest, genü-
gend gerundet, nicht von Faltchen und kleinen Unebenheiten der
Haut durchkreuzt, Dinge, die den Anfänger leicht verhindern, die
Hauptform richtig nachzubilden. Schöne jugendliche, weibliche
Köpfe und namentlich Kinder sind wegen der weichen Unbestimmt-
heit und Veränderlichkeit ihrer Formen für den Anfang zu schwer.
Für die Zeichnung sind Licht und Schatten, die mannigfaltigen
Abstufungen der Dunkelheit eigentlich das Material, womit model-
liert wird, dasselbe, was in der Skulptur irgend ein Stoff, Wachs,
Thon, Marmor, Holz etc. ist. Ohne alle Beleuchtung, wie mit
einer solchen, die von allen Seiten her gleichmafsig auf einen
Gegenstand fiele, kann man diesen nicht zeichnen. S0 wie man
R180 anfängt nach dem Runden zu arbeiten, soll man auf die Be-
leuchtung besonders acht haben. Man mufs so lange versuchen,
den Kopf, die Hand, den F ufs dem Licht zu- und abzuwenden, bis
die Formen dadurch sich besonders deutlich zeigen, und das Ganze
einen malerischen Eindruck macht.
Woran immer man aber auch arbeiten mag, Kleines, Grofses,
Zeichnung oder Gemälde, immer behalte man dabei die nachfol-
gßnden Ratschläge im Gedächtnis und befolge sie pünktlich mit
Bouvier-Ehrhardt, Ölmalerei. 6. Autl. 9