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Dreiunddreissigste Lection.
Das
Firnissen.
zeugen, und sobald es trocken ist, lässt man xes ganz erkalten,
ehe man den Firniss aufträgt. Besonders muss man den Rauch
zu vermeiden suchen und zu dem Ende das Gemälde blos an
die Seite des Feuers halten. Alsdann nimmt man den Firniss,
giesst davon eine gewisse Quantität in eine sehr reine Tasse, aber
immer etwas mehr, als man braucht, damit man während der
Arbeit durch das Zugiessen nicht unterbrochen wird, denn ein
Augenblick ist hinreichend, um den Firniss dick werden zu lassen,
und alsdann tragt man denselben wider seinen Willen ungleich
stark auf und das macht eine sehr schlechte Wirkung und verur-
sacht immer sehr grosse Verlegenheit.
Man lege das Gemälde platt auf den Tisch, damit sich der
Firniss gleichmässig ausbreiten kann, was bei der geringsten Nei-
gung nicht möglich wäre, weil der Firniss, im ersten Augenblick
ausserordentlich laufend und Hüssig, der Neigung nach unten
folgen würde. Ich muss voraussetzen, dass man sich an einem
sehr reinlichen Orte befindet, der gegen allen Staub verwahrt ist,
eine unerlässliche Bedingung; man muss selbst sein Möglich-
stes thun, um das Athmen und die Bewegungen, die man dabei
machen muss, so viel als möglich zu mäissigen, denn ein Atom
in der Luft wird gleichsam vom Firniss angezogen und setzt sich
fest, ohne dass es möglich ist, es abzuhalten oder wegzubringen;
daher muss man an dem Orte, wo man flrnisst, ganz allein sein
und seit einer halben Stunde die Luft an dem Orte und rings um-
her nicht in Bewegung gesetzt worden sein.
Man tauche seinen Breitpinsel blos bis zur Hälfte der
Haare in das Gefäss mit dem Firniss und streiche ihn auf beiden
Seiten an dem Rande des Gefässes ab, um den Ueberschuss wie-
der ablaufen zu lassen. Dies thue man so oft, als man Firniss
nimmt, denn man muss nicht zu viel auf einmal nehmen, im Ge-
gentheil, je dünner der Auftrag ist, besonders wenn man das
Gemälde zum ersten Mal firnisst, desto besser ist es; sollte es ja
nicht genug sein, so hat man immer Gelegenheit, einige Tage
nachher eine zweite Lage aufzutragen, wenn die erste vollkommen
trocken und hart ist. Allein dies ist fast niemals nöthig, weil
eine sehr gleichförmige Ausbreitung der ersten Lage schon hin-
reichend ist, den Farben alle ihre Lebhaftigkeit wiederzugeben, denn