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Zweiundzwanzigste Lection.
Landschaft.
Töne sind (wie ich wiederhole) die gelbrothen; denn nimmt man
blosses Citronengelb ohne einige Beimischung von Roth, so wür-
den alle blauen Farben grünlich werden und fast alle übrigen
Farben eine schmutzige und bleiche Färbung annehmen.
Man untermalt die Bäume ohne Details über dem Himmel;
man spart die Grundirung der Leinwand nur in der Mitte der
grossen Massen der Belaubung aus, wo der Himmel nicht durch
die Zweige scheint; sind diese Parthieen des Himmels sehr klein,
wie häufig der Fall ist, so spart man auch diese nicht aus, man
deckt die Masse überall und hebt diese kleinen Punkte des Him-
mels? erst bei der Uebermalung hervor. Allein ehe man die
Farbe des Himmels auftragt, ist es nöthig, Stamm und die wich-
tigsten Zweige mit dem Zeichnenstift getreu anzugeben; diese
Striche sieht man durch die Farbe der Untermalung noch deut-
lich genug, so dass man sie wieder auHinden kann; dadurch ver-
meidet man falsche Massen im Baumschlag und weiss, wo die
Aeste anzubringen sind.
Betrachtungen über die in Landschaften zu beobach-
tende Uebereinstimmung mit der besonderen Natur
der verschiedenen Länder, der Costüme und Sitten
ihrer Einwohner etc.
Landschaftmaler fehlen sehr oft darin, dass sie in ihren
Compositionen und sogar in ihren nach der Natur aufgenommenen
Ansichten nicht genug darauf sehen, blos das Eigenthümliche, was
gewissermassen die Physiognomie einer jeden Gegend charakteri-
sirt, darzustellen. Sie entstellen auf diese Weise die Länder, die
man in ihrer Eigenheit kennen zu lernen wünscht, und die man
nicht wieder erkennen kann, wenn man sie schon gesehen hat.
Dieser Mangel an Treue, welcher die Wahrscheinlichkeit ver-
letzt, vermindert gar sehr das Interesse und Vergnügen, das uns
Werke verschaffen könnten, die übrigens in Ansehung der Kunst
und Ausführung grosses Verdienst haben.
Um diesen Fehler zu vermeiden, muss der Maler niemals
verschiedene Arten von Natur vermischt zusammenstellen, son-
dern sich blos an die Formen, Farbe und die allgemeine Er-