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Lection.
Zweiundzwanzigste
Landschaft.
einer Leinwand untermalt, die mit einem warmen und gelbröth-
liehen Ton grundirt ist 1). Wenn man hingegen auf einem grauen
Grunde untermalt, so will ich jetzt lehren, was man zu thun hat,
damit nicht die ganze Landschaft, und selbst das Blau des Him-
mels, einen kalten Ton annehme, der dem einer mittelmässigen
Aquarell ähnlich sein würde, die gar keine Tiefe des Tons hat.
Wenn man auf einem grauen Grunde malt, so ist es gut, wenn
man eine Art von erster Anlage blos lasirend macht, das heisst,
alle Gründe, alle Gegenstände, und selbst den Himmel, mit einem
warmen und gelbrothen Ton übergeht, nicht dick impastirend, son-
dern ohne Vermischung mit Weiss, sowie man auf weisses Papier
mit Bister zu tuschen pflegt. lllan muss sorgfältig beachten, für
die Fernen und den Himmel viel frischere und hellere Töne zu
gebrauchen, um das Mehlige zu vermeiden 2). Man untermalt so-
gar die Gründe, die Bäume, mit einem Wort Alles, durchsichtig
und lange nicht so kräftig, als das Original. Diese Art von An-
lage gewährt grosse Vortheile; der erste besteht darin, dass
man gleich einen gewissen Zusammenhang erhält, der eine Art
von Elfect hervorbringt. Diese Art und Weise ist in der Land-
schaftmalerei eben das, was die Anlage für Fleisch und Figuren
ist, wovon ich geredet habe 3). Wenn diese Anlage ganz trocken
geworden ist, so malt man alsdann mit mehr Sicherheit darüber,
und man kann mit der Uebermalung (die alsdann mit voller
Farbe geschieht) viel schneller vorwärts schreiten, als sonst, so
dass man beim dritten Uebergehen sein Gemälde mit weniger
1) Man sehe über das, was man Grundirung der Leinwand nennt, die
verschiedenen Oel- oder Leimfarben, die man dazu gebraucht, und die Art sie
selbst zuzubereiten, die dreissigste Lection.
2) Was man unter dem Worte mehlig versteht, sehe man in der acht-
zehnten Lection, S. 246.
3) Man sehe die siebzehnte Lection, S. 188, für die Art und Weise die
Ilauptmassen der Schatten in der Fleischfarbe vorzubereiten wie beim Tuschen,
jedoch mit Oelfarbe. Indessen ist ein grosser Unterschied zwischen der Unter-
malung der Landschaften und der Köpfe. In den Landschaften wird nichts
ausgespart, man malt überall, und man macht mit einem einzigen gelbrothen
Ton in den Lichtern und in den Schatten mit einer braunen Farbe eine Art
von Zeichnung, anstatt dass man bei den Köpfen oder Figuren blos die Haupt-
schattenmassen mit einer Bisterfarbe leicht andeutet, und das Uebrige ansspart,
um mit der wirklichen Farbe zu impastiren.