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Lection.
Zweiundzwanzigste
Landschaft.
Indessen wenn man auch die schöne Natur zum wahrhaftigen
Lehrmeister erwählt, so studire man doch zugleich die Gemälde
der berühmtesten Meister dieser Art. Man betrachte wechsel-
seitig und mit der grössten Aufmerksamkeit einen Claude-Lor-
rain, Ruisdael, Berghem, Bott, Garl Dujardin u. a., und
vergleiche sie mit der Natur. Man wird dann sehen, wie sie die
Natur wiedergegeben haben, mit welcher Kunst sie ihre Wirkun-
gen zu wählen gewusst und welche Zusammenstellung bei der
Vertheilung des Lichts und Schattens sie gutgeheissen haben.
Von einem jeden soll man das, was uns am wahrsten, am auf-
fallendsten und am meisten romantisch zu sein scheint, annehmen,
aber keine einzelne Manier; der Natur muss man treu sein. Muss
man aber eine Manier haben, so sei es, wie ohne unser Wissen
und jedenfalls unsere eigene und gleichsam das Resultat unserer
Studien und unseres Gefühls, und nicht die Frucht der Nachahmung
einer anderen Manier. Man ist allezeit voll Fehler und schwach,
wenn man sich nur in den Fussstapfen irgend eines Meisters fort-
bewegen will.
Der Himmel und die Fernen, und selbst die grossen Wasser-
flächen (wenn sie ruhig und himmelblau sind) müssen von der
Untermalung an mit Ultramarin gemalt werden; mit anderen
blauen Farben würde man den Ton der Farbe nicht fein und
fernend genug erhalten.
Man muss für alle diese Dinge, und namentlich für die
Töne von Ultramarin _und Weiss in einer Stufenleiter zu
Lüfte,
einem
immer intensiveren Blau mischen, indem man mehr oder weniger
Weiss hinzusetzt. Der Himmel, welcher über unserem Kopfe bis
zum Horizont eine Art Gewölbe bildet, muss nicht überall mit einem
gleich starkblauen Ton gemalt werden. Der Himmel über uns,
der für unsere Augen der von den Dünsten, die von der Erde
aufsteigen, freieste Theil ist, erscheint uns von reinerem und
dunklerem Blau, als der Horizont, besonders der Sonne gegen-
über; allein diese Abstufung des Blau muss sich von einem Ende
zum anderen auf eine unmerkliche Art verlieren und vermischen,
.ohne dass man den Uebergang von einem dunkleren Streifen zu
dem folgenden etwas helleren wahrnehmen kann. Zu dem Ende
mische man auf der Palette einige auf einander folgende blaue